Bürger retten Denkmale – Burg und Schloss Krautheim

Hoch über der Jagst, auf einem von Laubwald umgebenen Bergsporn, thront seit mehr als 800 Jahren die Burg Krautheim. Von ihrem Bergfried hat man einen herrlichen Blick über das Tal. der mutmaßliche Erbauer, Wolfrad I. (geb. um 1170) aus der Familie der Edelherren von Krautheim, erscheint 1194 im Gefolge des deutschen Stauferkaisers Heinrich VI. sowie noch einmal 15 Jahre später als Gefolgsmann des Welfen Otto IV. in Italien. Rund 200 Jahre lang spielten die Edelherren von Krautheim eine politisch bedeutende Rolle im Gebiet zwischen Main, Neckar, Jagst und Tauber, so berichtet der Krautheimer Architekt und Bauhistoriker Dankwart Leistikow in umfangreichen Ausführungen zu Burg und Schloss Krautheim.
Verantwortung statt Götzzitat
Die Denkmalstiftung Baden-Württemberg unterstützte die Dachrenovierungen am Schloss mit insgesamt 25 000 Euro aus Mitteln der Lotterie GlücksSpirale.
Bau der Burg um 1200
Wolfrad war es demnach, der die wesentlichen Teile der Burg, die Umfassungsmauer, den Bergfried, den Palas und mutmaßlich auch den Torbau um 1200 errichten ließ. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichte die Familie bereits eine Generation später unter den Söhnen Konrad, Wolfrad II. und Kraft von Krautheim. Zusammen mit seinem Schwager Gottfried von Hohenlohe besaß Kraft Sitz im bedeutenden Reichsrat des jungen, noch unmündigen deutschen Königs Konrad IV. (1228–1254), des einzigen Sohns Kaiser Friedrichs II.

Beurkundeter Kauf, prachtvolle Erweiterung
Der mächtige Schwager war es dann auch, der von den Krautheimern 1239 die Burg und zahlreiche andere Güter erwarb. Wie Leistikow schreibt, wurde der Kauf „in einem (geheimen) Rechtsakt vermutlich in Gegenwart des Königs Konrad IV. und zahlreicher hochgestellter Persönlichkeiten in Würzburg besiegelt“. Durch diesen Akt wird die Burg Krautheim erstmals urkundlich erwähnt.
Gottfried von Hohenlohe ließ die Burg in der Folge so repräsentativ ausgestalten, dass Krautheim mit diesen Aus- und Umbauten – nach dem Urteil des Landesamts für Denkmalpflege – einen der Höhepunkte der Profanarchitektur in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts bildet. Auch die frühgotische Kapelle, vor 1245 entstanden, mit ihrer herrschaftlichen Empore und dem polygonalen, überwölbten Chor, beeindruckt noch heute.
Wieso es zu den prachtvollen Umbauten kam, darüber wurde in der Forschung viel spekuliert. Eine Theorie, die sich bis heute hartnäckig hält, besagt, dass der Kauf durch Gottfried von Hohenlohe in der Absicht des Kaisers geschah, hier einen abseits und sicher gelegenen, zeitweiligen Aufbewahrungsort für die Reichskleinodien einzurichten. Angestammter Verwahrungsort für Krone, Zepter und Reichsapfel war seit 1125 allerdings Burg Trifels im Pfälzer Wald.
Erzbischöflich-Mainzer Eigentum
Die Herrschaft Krautheim geriet ins Spannungsfeld zwischen Mainz und Würzburg. Die Folge war, dass 1346 die Herrschaft hälftig an das Bistum Würzburg und 1365 zur anderen Hälfte an Kurmainz fiel. Ab 1399 waren die Erzbischöfe von Mainz schließlich alleinige Besitzer Krautheims, was bis zur Säkularisation auch so bleiben sollte.
Auf der Burg selbst saßen in dieser Zeit adlige Geschlechter der Umgebung als Mainzer Amtmänner. In diesem Zusammenhang ereignete sich 1516 auch jenes Ereignis, das dank Goethes bekanntem Drama bis heute nicht vergessen ist. Auch ein Gedenkstein hält in Krautheim die Erinnerung daran wach, wie Götz von Berlichingen als Bauernführer hier dem Kurmainzer Amtmann Max Stumpf seinen Kraftausdruck „Er kann mich hinden lekhen“ entgegengeschleudert hat. Im Zuge des Bauernkriegs wurde die Burg dann teilweise zerstört.
Neubau des Renaissanceschlosses
Nachdem im Laufe des 16. Jahrhunderts die Anlage wieder aufgebaut worden war, ließ der Mainzer Erzbischof 1612, vermutlich anstelle älterer Nebenbauten der Burg, ein Schlossgebäude mit Treppenturm errichten. Rund hundert Jahre später wurde dieses Bauwerk durch einen Ostflügel ergänzt, der an die Kapellenwand anschließt. Das Renaissanceschloss wurde wohl der ehemaligen Burgmauer angepasst und bildet so, mehrfach abgewinkelt, einen etwa halbkreisförmigen Baukörper. Der achteckige, rückseitig angefügte Treppenturm überragt das Schloss bis heute markant.
Säkularisation und Niedergang
Spätestens Ende des 18. Jahrhunderts setzte der Verfall der Anlage ein, und noch vor der Säkularisation wurden Teile der Burg abgebrochen. „Die bis dahin bewohnte Burg wurde innerhalb von wenigen Jahrzehnten zur Ruine“, schreibt Leistikow in seinen Abhandlungen zur Burg.
In der Folge gelangte die Anlage als Entschädigung für linksrheinische Verluste an die Fürsten von Salm-Reifferscheidt. Sie ließen in der Vorburg ein Herrenhaus errichten, nahmen die Burg selbst aber nicht mehr in Anspruch und verkauften das Anwesen 1850 wieder an den badischen Staat. 1864 wurde zudem das Amt Krautheim aufgelöst. Der bedrohliche Zustand der Burg ließ in der Folge verschiedentlich Gedanken aufkommen, sie abzubrechen. Der Schlossbau innerhalb der Burg war in dieser Zeit nur durch eine Handvoll Soldaten des badischen Stadthalters belegt.
Romantische Rettung

Schlosskapelle.
1886/87 erfolgt dann die im Rückblick entscheidende Wende zum Erhalt des Schlosses: Der Premierleutnant in badischen Diensten, Hugo Schmidt, lernt in Baden-Baden die russische Fürstentochter Natalie Narischkina kennen, heiratet sie und erwirbt das marode Schloss. Er hat die schöne Gegend in seiner badischen Dienstzeit kennengelernt und scheut weder Mühe noch Kosten, sich hier einen adäquaten Familiensitz zu schaffen. Ob ihm dabei schon der bekannte Karlsruher Baumeister Josef Durm (1837–1919) zur Hand gegangen ist, weiß man nicht genau. Überliefert ist, dass Durm in diesen Jahren an der Burg gearbeitet hat, und dabei auch die Kapelle sanierte. Die neuen Schlossbesitzer pachteten die Burg mit Kapelle und Burggelände hinzu. Diese Pacht wurde dann erst Ende der 1970er Jahre vom Vater der jetzigen Eigentümer aufgelöst: Die Burg ist im Gegensatz zum Schloss heute im Besitz des Landes Baden-Württemberg.
Über den historischen und baugeschichtlichen Wert der Anlage ist man sich bewusst: „Das heutige Erscheinungsbild prägt ganz wesentlich der romantisierende späthistorische Aus- und Umbau, den der namhafte Karlsruher Architekt Josef Durm in den späten 1880er Jahren durchführte“, merkt dazu das Landesamt für Denkmalpflege an. Prof. Dr. Claus Wolf, Vorstandsmitglied der Denkmalstiftung Baden-Württemberg, erklärt: „Die Anlage ist nicht nur ein herausragendes Zeugnis hochmittelalterlicher Baukunst und eine der bedeutendsten Burgbauten der späten Stauferzeit – ihr kommt auch in der südwestdeutschen Herrschaftsgeschichte ein besonderer Stellenwert zu.“
Erneuerungen unausweichlich
Die heutigen Besitzer des Schlossgebäudes, Nikolaus und Lilly Schmidt-N arischkin, begannen nach Übernahme des Schlossgebäudes – wie 130 Jahre zuvor die Urgroßeltern – mit der erneuten Sanierung. Die Einrichtungen und Installationen waren in die Jahre gekommen und Erneuerungen unausweichlich. Auch wenn die Familie über Jahrzehnte meist nur die Sommermonate hier verbrachte, wurde das Schloss zeitweise auch intensiv genutzt. Die Großmutter der heutigen Besitzer wohnte bis zu ihrem Tod 1974 ganzjährig vor Ort und vermietete auch Teile des Schlosses.

Behutsame Renovierung
Über die Anfänge ihrer Renovierungsbemühungen berichten Nikolaus und Lilly Schmidt-Narischkin: „Meine Brüder, meine Frau und ich haben schon Anfang der 1990er Jahre damit begonnen, einige der vernachlässigten Wohnräume im zweiten Stockwerk wieder instand zu setzen. Wir haben ein Badezimmer eingebaut und dann einige der vielen Räume auf dieser Ebene bewohnbar gemacht.“
Die Schmidt-Narischkins setzen ihre Bemühungen zur Erhaltung und Sanierung fort und sind noch nicht am Ende. Ihre Leitlinie dabei lautet: „Wir schauen uns gemeinsam mit den Denkmalexperten die Räume an und machen das Notwendige, um sie möglichst den heutigen Wohnbedürfnissen anzupassen, aber ohne eine völlig neue Innensituation zu schaffen.“ Große Probleme gibt es mit der Beheizbarkeit, die in einem solchen Gebäude nur rudimentär gegeben ist. Auch die teils hundertjährige Elektroinstallationen entsprechen nicht mehr heutigen Sicherheitsstandards.
Komplexe Zimmererarbeit unter Dach
Eine entscheidende, aufwendige und damit auch kostspielige Baumaßnahme war im letzten Jahr die Sanierung des Daches, wobei besonders die aufgrund des mehrfach gewinkelten Baus sehr komplizierte Balkenkonstruktion den Zimmerleuten zu schaffen machte. Zu beseitigende Schäden und Mängel zeigte ein umfangreiches holzschutztechnisches Gutachten: So litt die Holzkonstruktion verschiedentlich unter massiven Einwirkungen durch Braun- und Weißfäule. Zahlreiche Bruchstellen im Gebälk des Dachtragwerks sorgten für Instabilität. Erhebliche Mängel wies das Dach zudem im Traufbereich auf. Hierbei war besonders der Treppenturm betroffen. Aufgrund mangelhafter Reparaturarbeiten der Vergangenheit war die ursprüngliche Traufsicherung praktisch nicht mehr existent. Die darunterliegenden, teilweise bereits sanierten Wohnbereiche wären aufgrund der Schäden am Dach in Kürze nicht mehr vor eindringendem Wasser geschützt gewesen.
Die Sanierung wesentlicher Teile des Daches konnte im Sommer 2022 abgeschlossen werden. Anlässlich der Übergabe des Förderschecks an die Eigentümerfamilie im Juni vergangenen Jahres war der Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege, Claus Wolf, voll des Lobes: „Dass die historische Dachkonstruktion dabei erhalten geblieben und lediglich an einzelnen Stellen ergänzt worden ist, zeugt vom besonderen Gespür der Eigentümer für ihr Denkmal.“ (Schö; AW)