Bürger retten Denkmale - Das Rittergut Mosisgreut in Vogt

Bürger retten Denkmale - Das Rittergut Mosisgreut in Vogt

Wohnen in der Turmhügelburg

Das ehemalige Rittergut Mosisgreut liegt etwas versteckt hinter alten Bäumen und einer großen Scheune aus massiven Granitsteinen. Umgeben ist es von der eiszeitlich geformten Landschaft Oberschwabens mit sanft gewellten Wiesen, Wäldern, Äckern, alten Weihern und natürlichen Seen. Im Zentrum des Gebäudeensembles an einer Landstraße südlich von Vogt im Landkreis Ravensburg liegt ein Schlösschen, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts neu errichtet wurde, dessen Geschichte aber bis weit ins Mittelalter zurückreicht. Seit jeher steht das herrschaftliche Wohnhaus erhaben auf einem aufgeschütteten Hügel und verweist damit auf die ursprüngliche Turmhügelburg aus dem 13. Jahrhundert.

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Die Sicherung und Instandsetzung des Nutzbaus wird durch die Denkmalstiftung Baden-Württemberg mit einem Zuschuss von 50 000 Euro aus Mitteln der Lotterie GlücksSpirale gefördert.

Adliges Familiengut mit Tradition

Wer die Vorgängerburg in Mosisgreut einst erbaut hat, ist unbekannt. Erwähnt wurde der Ortsname „Greuth“ erstmals in einer Urkunde von 1463, die einen Güterverkauf an die Brüder Michel und Jos Edel zum Inhalt hat. Das Rittergut war ein Lehen des benachbarten Waldburg. Die Burg befand sich bis 1576 im Besitz derer von Moosheim. Danach ging das umfangreiche Gut durch mehrere Hände, bis es 1685 von Johann Freiherr von Altmannshausen zu Amtzell erworben wurde, einem bayerischen Kämmerer und Hofkriegsrat. Davon erzählt kenntnisreich Dr. Simone Baronin Werner von Kreit in ihrer heimatkundlichen Abhandlung über „Das Rittergut Mosisgreut und seine Kapelle zum Heiligen Sebastian“. Die Autorin muss es wissen, denn das Gut ging im Jahr 1690 unter dem Namen „Moßißgreit“ durch Heirat in den Besitz der in österreichischen Diensten stehenden Freiherren von Werner, die sich fortan Werner von Greuth (später Kreit) nannten. So steht das Ehepaar Simone und Bruno Werner von Kreit am vorläufigen Ende einer rund zehn Generationen währenden, ununterbrochenen Familiengeschichte auf dem Rittergut Mosisgreut. Neben den Gebäuden gehören zu Mosisgreut heute rund 25 Hektar Acker- und Weideland, 25 Hektar Wald und fünf Hektar Weiher.

Turmburg wird Wohnburg

Dauerhaft bewohnt haben die 1555 von Kaiser Karl V. in den Adelsstand erhobenen Herren Werner von Kreit das Gut Mosisgreut freilich erst ab etwa 1820. Bis dahin führte das Geschlecht den Ortsnamen zwar im Namen, verpachtete das Gut aber über mehr als hundert Jahre lang an Dritte. Das Schlösschen nebst Kapelle diente der Adelsfamilie in dieser Zeit lediglich als vorübergehender Aufenthaltsort – zur Jagd, zum Fischen oder zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben. Ein Detailabbildung auf der Rauch‘schen Landtafel der Herrschaft von Waldburg aus dem Jahr 1626 zeigt den mittelalterlichen Vorgängerbau des heutigen Schlösschens. Burg und Kapelle sind von einer Mauer umgeben. Die Kapelle geht auf das 14. Jahrhundert zurück und ist heute das älteste noch bestehende Bauwerk der Anlage. Besondere Bedeutung hat die wertvolle barocke und neogotische Innenausstattung. Der Zustand des Guts änderte sich wesentlich 1793 mit einem Brand, dem die alte Burg zum Opfer fiel. Ihr folgte unter dem damaligen Eigentümer Franz Christoph Werner von Kreit (1756–1835) um 1818 ein bequemeres Wohnhaus, das in klassizistischen Formen auf den Grundmauern des mittelalterlichen Gewölbekellers entstand und bis zum heutigen Tag besteht.

Hier entsteht mit offenem Blick ins Dachgebälk ein respektabler Veranstaltungsraum.

Ein engagiertes Paar

Dass das so ist, ist freilich ganz wesentlich dem Einsatz des gegenwärtigen Besitzerehepaars zu verdanken. Simone und Bruno Werner von Kreit haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das ehemalige Rittergut mit seinen zahlreichen Gebäuden für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Neben der gotischen Sebastianskapelle im Südosten der Anlage und dem großen Wohnhaus besteht der Gutshof auch aus Wirtschaftsgebäuden. Diese sind als Dreiflügelanlage mit zinnenbekröntem Rundturm in mehreren Bauabschnitten zwischen 1820 und 1932 entstanden. Alles zusammen ist eingebettet in eine Gartenlandschaft, in der noch weitere Bauten, Mauern, Wassergräben und Teiche erhalten sind.

Ein solches Ensemble zu erhalten ist in jeglicher Hinsicht, vor allem aber in finanzieller, eine Mammutaufgabe: Die Instandsetzung des Schlösschens, das nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Jahrzehnte verwaist war, der Kapelle und der diversen Außenanlagen hatten die Eigentümer in den vergangenen Jahrentatkräftig in Angriff genommen und abgeschlossen. Bereits mehrfach hat die Denkmalstiftung Baden-Württemberg hier Sanierungsprojekte unterstützt. Die Sanierung des Wohnhauses wurde 2012 sogar mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Mit der laufenden Instandsetzung des großen Ökonomiegebäudes hat das Besitzerpaar nun nicht nur die vorerst letzte Sanierung in Mosisgreut in Angriff genommen, sondern gleichzeitig auch die des größten Bauwerks des gesamten Guts, das seit 2012 als „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“ eingetragen ist. Die Besonderheit von Mosisgreut gründe dabei, so die Landesdenkmalpflege, sowohl auf der wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen als auch auf der künstlerischen Bedeutung der Anlage. Beim Ökonomietrakt handelt es sich um einen ursprünglich rechteckigen Stall- und Scheunenbau, der um 1820 mit massiven Steinmauern und Satteldach errichtet worden war und später um einen Seitenflügel erweitert wurde. Schon allein aufgrund seiner Dimensionen stellt der zweigeschossige, aus Lesesteinen mit Hau- und Backsteinelementen erbaute Ökonomiebau ein „prägendes Element des einstigen Gutshofs dar“, erklärt das Landesamt für Denkmalpflege.

Ein feines architektonisches Detail am Bau ist dieser Lichtund Lufteinlass unter dem Dachtrauf.

Milchwirtschaft unter mittelalterlicher Symbolik

Die historisierende Gestaltung des Nutzbaus fällt deutlich ins Auge: Mit Staffelgiebeln und dem an der Ecke zu einer Holzremise angeordneten Rundtürmchen kamen für Wirtschaftsbauten ungewöhnliche, ins Spätmittelalter weisende Stilelemente zum Ein- satz. Mutmaßlich sind sie Beleg für das Anliegen der damaligen Besitzer, auch in der baulichen Gestaltung der Hofanlage die eigene jahrhundertealte Familiengeschichte zum Ausdruck zu bringen. Der 34 mal 13 Meter große und rund zwölf Meter hohe ehemalige Kuhstall weist aber auch auf die steigende Bedeutung der Milchwirtschaft für das Gut in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hin. Damit schlägt der Bau eine Brücke zwischen der Geschichte des Orts und seinem wirtschaftlichen Anspruch. Die Ökonomiebauten bezeugen den Wandel vom Rittergut zum Hofgut, vom Verwaltungssitz zum wirtschaftlichen Zentrum. Nicht zuletzt prägen sie das Bild von Mosisgreut nach außen.

Auch zur Winterzeit ein beeindruckendes Ensemble mit „Turmburg“ und mittelalterlicher Kapelle zum Heiligen Sebastian.

Gestein aus Nah und Fern

Die enormen Granitblöcke, aus denen der Stall in massiver Bauweise errichtet wurde, sollen, so die Überlieferung, aus Österreich herangeschafft worden sein. An den Ecken des Bauwerks kragen sie im Wechselverband weit aus. Fenster- und Torrahmungen sind aus lokal anstehendem Tuffstein und vor Ort gebrannten Ziegeln gestaltet. Die acht kreuzförmig aus Tuffblöcken ausgeschnittenen Fensterokuli, die Staffelfenster auf der Giebelseite sowie die charakteristischen Zinnen der Staffelgiebel erzeugen das historisierende Erscheinungsbild im Sinne der Neugotik.

Variantenreicher die ehemalige Wagenremise, die östlich im Winkel an den Stall ansetzt: Ihre breite Front öffnet sich mit vier dorischen Säulen zum Innenhof. Auch hier sind neogotische Baumotive zu erkennen. Somit diente die Remise nicht nur als Nutzbau, sondern auch als architektonisches Staffageelement im Gesamtgefüge des Mosisgreuter Landschaftsparks. Das jüngste Wirtschaftsgebäude ist der westliche Quertrakt mit Tennendurchfahrt, der einen älteren, noch ablesbaren Erweiterungsbau des Stalls ersetzt hat. Der 1932 errichtete Trakt greift Elemente des Heimatstils auf und setzt mit seinem leicht wirkenden, holzverschalten Obergeschoss einen Gegenakzent zur steinernen Wucht des riesigen Stallgebäudes. Bei den für die Sanierung des dreiflügeligen Wirtschaftshofs auszuführenden Bauarbeiten steht die Beseitigung grundlegender statischer Mängel an der Dachwerkkonstruktion des ehemaligen Stallgebäudes im Vordergrund.

Dabei wird bewusst eine sogenannte nutzungsneutrale Instandsetzung gewählt, auch um den ursprünglichen Charakter des alten Stalls mit seinem großen Raumvolumen zu erhalten. Somit ist eine Mehrfachnutzung möglich. An Ideen mangelt es Simone Werner von Kreit nicht, darunter ein Bildungscampus für junge Menschen zum Thema Umweltbildung – Kontakte zur Pädagogischen Hochschule Weingarten bestehen bereits. Events wie Freiluftkino oder Märkte seien auf Mosisgreut ebenso denkbar. (Schö)