Bürger retten Denkmale - die Schatzkammer im Münster St. Maria und Markus auf der Reichenau

Die Schatzkammer im Münster St. Maria und Markus auf der Reichenau
Die Schatzkammer im Münster St. Maria und Markus auf der Reichenau

Die Schatzkammer im Münster St. Maria und Markus auf der Reichenau erstrahlt in neuem Glanz: Nachdem der ehemalige Sakristeiraum des Münsters etwa ein Jahr lang für die Öff entlichkeit geschlossen war, fand am 19. April die feierliche Wiedereröff nung statt. Zur 1300-Jahr-Feier der UNESCO-Weltkulturerbestätte wurde die Schatzkammer renoviert und das Ausstellungskonzept modernen szenographischen Anforderungen angepasst. Die Schatzkammer ist dezentraler Teil der Großen Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters. 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“, die bis 20. Oktober 2024 im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz gezeigt wird. Sie erinnert an die Gründung des ersten Klosters auf der Reichenau 724 durch den Wanderbischof Pirmin.

RETTEN SIE MIT

Die Konservierung und Restaurierung der Exponate wurde von der Denkmalstiftung Baden-Württemberg mit 83 000 Euro unterstützt.

In der Zeit vor der Eröffnung: Schatzkammer und Restaurierungswerkstatt.
In der Zeit vor der Eröffnung: Schatzkammer und Restaurierungswerkstatt.

Neueröffnung zur Großen Landesausstellung

Papst Franziskus setzte zur 1300-Jahr-Feier der Insel ein wichtiges Zeichen kirchlicher Wertschätzung für ihre Bedeutung in der Historie des Christentums. Das Münster St. Maria und Markus erklärte er am Gedenktag des hl. Markus, am 25. April, zur „Basilicka minor“. Dieser Tag ist sowohl Patronatsfest der Kirche als auch Feiertag für die ganze Insel. Die etwas verkleinernd klingende Bezeichnung gilt für Gotteshäuser weltweit als hohe Anerkennung ihrer kirchengeschichtlichen Rolle. In der Erzdiözese Freiburg gibt es nur noch drei weitere Kirchen, die mit dieser vatikanischen Würdigung ausgezeichnet sind: das Münster in Konstanz, die Birnau und die Wallfahrtskirche Walldürn.

Pfarrkirche in Mittelzell

Die heutige Pfarrkirche steht an der Stelle des ehemaligen Pirminklosters. Ursprünglich handelte es sich um eine bescheidene Saalkirche mit einem eingezogenen Rechteckchor, aber schon Mitte des 8. Jh. wurde sie nach Westen verlängert und mit einer Vorhalle versehen. Es folgten zahlreiche weitere Umbauten, trotz der komplexen Baugeschichte bietet das Raumgefüge der dreischiffigen Basilika ein homogenes Bild. Der klare Rhythmus der Architektur steht den Kaiserbauten in Speyer nahe, die etwa zur gleichen Zeit entstanden. Im südlichen Seitenschiff zeigt ein Gemälde von 1624 die Ankunft des heiligen Pirmin auf der Insel. Auf der detailgetreuen Malerei lassen sich sämtliche zu dieser Zeit erhaltene Bauten erkennen.

Auf dem Tisch der Restauratorin: Die zum Ziborium umgebaute spätantike Elfenbeinpyxis und der berühmte Krug von Kana. Sie gehören zu den ältesten Stücken der Schatzkammer.
Auf dem Tisch der Restauratorin: Die zum Ziborium umgebaute spätantike Elfenbeinpyxis und der berühmte Krug von Kana. Sie gehören zu den ältesten Stücken der Schatzkammer.

Ein politisches und kulturelles Zentrum

Das Kloster auf der Reichenau war im Hochmittelalter eines der wichtigsten politischen und kulturellen Zentren Europas. Zu dem 724 von Pirmin als Benediktinerabtei auf der noch unbewohnten Insel gegründeten Kloster kamen um 800 die beiden Kirchen St. Georg sowie St. Peter und Paul dazu. Im Lauf der Jahrhunderte entstanden auf der Insel zahlreiche weitere Gebäude, Kirchen und Kapellen, die aber sämtlich im 19. Jh. abgerissen wurden.

Die Äbte der Reichenau waren enge Berater der Kaiser. Karl III. wurde 888 im Chor der Abteikirche bestattet. Im selben Jahr wurde Hatto III. Abt des Klosters. Kein Abt hat jemals so viel politische Verantwortung getragen wie er: Als Erzbischof von Mainz und Erzkanzler des Ostfränkischen Reiches war er einer der mächtigsten Männer im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Um 900 schenkte der Papst dem Erzkanzler Hatto III. sogar den Kopf des heiligen Georg, eine wirkmächtige Reliquie, die ihren Platz unter dem Altar der Oberzeller Kirche fand, was im gesamten deutschen Südwesten eine intensive Georgsverehrung auslöste.

Diese Blütezeit geht im 12. Jh. zu Ende. Die Reichenau verkommt zu einem Adelskloster. Der ehemals 120 Männer zählende Konvent schrumpft auf zwei Mitglieder. Im 16. Jh. wird die Reichenau zu einem unselbständigen Priorat zurückgestuft, 1757 löst man den Konvent komplett auf. Bis zur Säkularisation leben auf der Reichenau nur wenige Mönche in freier Gemeinschaft, um den Gottesdienst und die Reliquien zu betreuen.

Diese Glasfensterfragmente aus dem Chor des Münsters sind jetzt in der Schatzkammer zu betrachten.
Diese Glasfensterfragmente aus dem Chor des Münsters sind jetzt in der Schatzkammer zu betrachten.
Lunettengiebel an der Ostwand. Die Malerei zeigt den hl. Markus mit seiner Symbolfigur, dem geflügelten Löwen.
Lunettengiebel an der Ostwand. Die Malerei zeigt den hl. Markus mit seiner Symbolfigur, dem geflügelten Löwen.
Felix-Regula-Schrein während der Restaurierung.
Felix-Regula-Schrein während der Restaurierung.

Ein Schrein für die Gebeine des heiligen Markus

Der Reliquienschatz allerdings blieb eine Sammlung von unschätzbarem Wert: Das berühmte und mächtige Kloster hatte zahlreiche wertvolle Stiftungen erhalten und verfügte über reichhaltige Bestände an sakralen Schätzen.

Bis heute befindet sich ein Teil dieser Sammlung im ehemaligen Sakristeiraum an der Nordseite des Chores, der Mitte des 15. Jh. von Abt Friedrich von Wartenberg erbaut wurde. Der schöne gotische Raum mit dem kostbar ausgemalten Netzgewölbe ist bis auf den Boden in größtenteils bauzeitlicher Form erhalten.

Der Klosterschatz besteht vor allem aus Handschriften, liturgischen Geräten und Reliquiaren und spiegelt das religiöse und kulturelle Erbe der Bodenseeregion wider. Zu den wertvollsten Reliquienschreinen gehört einer mit den Gebeinen des heiligen Markus, der noch heute bei Prozessionen über die Insel getragen wird. Der Markusschrein wurde Anfang des 14. Jh. angefertigt, nachdem nach klostereigener Überlieferung im 10. Jh. der Bischof Radolt von Verona die Gebeine des Heiligen auf die Reichenau gebracht hatte.

Öffnung des Markusschreines für die Restaurierung. Vorsichtigstes Arbeiten ist geboten.
Öffnung des Markusschreines für die Restaurierung. Vorsichtigstes Arbeiten ist geboten.

Zum Schatz gehören auch sogenannte „sprechende“ Reliquiare, Gefäße, deren Form ihren Inhalt nachempfindet, so ein Kopfreliquiar des hl. Bartholomäus oder Armreliquiare aus einer Konstanzer Werkstatt mit Reliquien der Heiligen Marianus und Emmeram.

Ein Highlight der in der Schatzkammer zu bewundernden Exponate ist ein sogenannter Krug aus Kana. Es handelt sich um einen spätantiken Alabasterkrug, der im 15. Jh. durch eine Fassung aus vergoldetem Kupfer ergänzt wurde. Laut einer Handschrift aus dem 10. Jh. kam der Krug um 900 an das Kloster. Solche Krüge wurden dazu verwendet, Wasser mit Wein zu mischen. Die Mönche auf der Reichenau sahen es als erwiesen an, dass dieser Krug auf der Hochzeitstafel in Kana gestanden hatte, wo Jesus Wasser in Wein verwandelt hatte.

Ein richtiger Touristenmagnet war bereits im Mittelalter ein grün gefärbter Glasfluss aus dem Hochmittelalter: eine relativ große, tiefgrüne Glasplatte, die man lange für einen echten Smaragd hielt und die dementsprechend viele Besucher anzog.

Der Katalog der Klosterbibliothek umfasst im Jahr 821 mindestens 415 Bände, eine für jene Zeit schier unvorstellbare Menge. Dazu gehörte auch der berühmte St. Galler Klosterplan, den Abt Heito von der Reichenau in Auftrag gegeben hatte, die früheste erhaltene Darstellung eines Klosterbezirks der Karolingerzeit. Auch das wichtigste Werk des Reichenauer Gelehrten Walahfrid Strabo, die „Visio Wettini“ mit der ältesten Erwähnung der Klosterinsel gehört zum Bibliotheksinventar.

Das Münster von Nordosten gesehen. Am Chor unter dem Schrägdach verborgen befindet sich das prächtige gotische Gewölbe der Schatzkammer.
Das Münster von Nordosten gesehen. Am Chor unter dem Schrägdach verborgen befindet sich das prächtige gotische Gewölbe der Schatzkammer.

Neugestaltung zur Jubiläumsausstellung

Viele der rund 50 Exponate der Schatzkammer waren beschädigt oder abgenutzt und bedurften einer gründlichen Restaurierung. Zudem stammte die Einrichtung der Schatzkammer noch aus den 1960er Jahren und war nicht mehr zeitgemäß. Eine verbesserte Präsentation der Exponate war also ein wichtiges Anliegen bei der Umgestaltung der Schatzkammer. Jetzt sind die meisten Vitrinen so platziert, dass man um die Exponate herumgehen kann.

Um die kostbaren Objekte besser zu schützen, musste das Raumklima entscheidend verbessert und an den Vitrinen eine spezielle Isolierverglasung angebracht werden. Außerdem wurden Beleuchtung und Alarmanlage vollständig erneuert.

Ein spätgotischer zweitüriger Sakristeischrank gehört wie ein Schrank aus der Barockzeit zur Originalausstattung. 1454 angeschafft, diente er der Aufbewahrung und Präsentation der großen Reliquiare. Beide Schränke wurden von Grund auf restauriert.

Das neue Ausstellungskonzept unterstreicht die Faszination, die die prachtvollen sakralen Kunstwerke und liturgischen Geräte noch heute ausstrahlen, und vermittelt einen Eindruck von der europaweiten Bedeutung des Klosters im Mittelalter. (bach)