Gabriel und Emanuel von Seidl (1856–1919)

Die Gebrüder Seidl, Gabriel und Emanuel, waren um 1900 die Architekten Münchens. Sie stehen mit ihrem speziellen Historismus, einer Art bajuwarischer Neorenaissance, für das behagliche München der Prinzregentenzeit (ca. 1880–1914). Gabriel, der populärere von beiden, war Erbauer so mancher Biertempel (Hofbräuhaus!). Beide Seidls galten als grimmige Gegner des damals auch in München wirkenden und als „fortschrittlich“ geltenden Theodor Fischer (dazu die Rezension in diesem Heft). Von den Gebrüdern Seidl war Emanuel, der 1897 geadelt wurde, der feinsinnigere, fantasiereichere. Er wird als kleingewachsener Mann von hoher Musikalität beschrieben, der Violine spielte und Münchens Großkopfete zu legendären Festen einlud. Seidl war fest vernetzt in einflussreichen Kreisen, bis hin zum Berliner Hof.

Als 1895 der Ostflügel des Sigmaringer Schlosses abbrannte, richteten sich die dort regierenden „schwäbischen“ Hohenzollern an ihre Berliner Verwandten und bekamen nach etlichen Sigmaringer Querelen Emanuel Seidl empfohlen. Bald war er unumschränkter Alleinherrscher über den Um- und Neubau des Hohenzollernschlosses – zu einem übrigens fürstlichen Honorar von umgerechnet 200 000 Euro im Jahr. Seine nachhaltigste Sigmaringer Tat beim Wiederaufbau (1900–1906) wurde der „Terrassensaal“, die heute so genannte Portugiesische Galerie. Der Neptunbrunnen dort, ein ganzer Seidl: mosaikartige Einfassung mit farbigen Steinchen aus Kunsttuff, einer Art Steinmaché, und immer wieder Muscheln zur Bekrönung. Neptun repräsentiert, wir wissen es, die Meerbeherrschung der einstigen Weltmacht Portugal, mit der die Sigmaringer Hohenzollern ja durch Heirat verbunden waren. Im übrigen ist der Spiegelhimmel über dem Neptun konzeptionell dem Kunstglashimmel im Muschelsaal des „Augustiner“ nicht unähnlich, Emanuel von Seidls feinem Münchner Bräuhaus.

Zum Abschluss der Sigmaringer Schlossarbeiten leistet sich Seidl noch ein kleines Stück Jugendstil: die Kartusche auf der Stadtseite mit dem Jahr 1906 als Enddatum des Außenbaus – obwohl er, von Herzen auch Ausstattungskünstler, bis 1908 hier zugange war. (Denkmalstimme_4_2018)

War dieser Artikel hilfreich?