Heinrich Henes (1876–1961)
Von seiner Biografie ist wenig bekannt. 1876 wurde er in Santiago de Chile geboren. Um 1900 nahm er ein Architekturstudium in Stuttgart auf, wo er seit 1906 sein eigenes Büro unterhielt und 1910 Regierungsbaumeister wurde.
Gleichwohl baute er zuerst vor allem im pfälzischen Frankenthal: Rathaus, Friedhofsanlage und noble Industrieanlagen. Eher nebenher entsteht an der Tübinger Wilhelmstraße 105 nach Art des sonst in Württemberg kaum beheimateten englischen Landhausstils eine stattliche Villa – Vorbild hierfür war Hermann Muthesius (1861–1927).
Henes war in den Stilen der Tage um 1900 beheimatet. Seine Bauten für die 1913 eingeweihte Baden-Badener Merkurbahn, Tal- und Bergstation, sind feinster Eklektizismus, noch unberührt von den Vorboten des „neuen bauens“. Zugleich entwickelt sich sein spektakulärstes Werk, die Erweiterung der um 1850 entstandenen Stuttgarter Villa Weißenburg unterhalb des Bopsers im Auftrag des Großindustriellen und Ägyptenforschers Ernst von Sieglin. Die von Henes behutsam umgestaltete Neo-Renaissance villa (um 1850) ließ man 1964 abreißen, als das Verständnis für die Architektur des Historismus, gerade auch in Stuttgart, auf dem Nullpunkt angelangt war. Geblieben von Henes‘ Erweiterungen und Zutaten sind Teehaus und Marmorsaal als Sockel eines Tennisplatzes.
Julius Baum 1913, seinerzeit einflussreicher schwäbischer Kunsthistoriker, über Henes‘ Sachgesamtheit von Villa, Teehaus und Marmorsaal: Es zeige „das vornehme, kultivierte Können des feingeistigen Eklektizismus dieser Begabung.“ Auch andere Ausführungen unseres Architekten haben eine gewisse späthistoristische Grazie. In der geradezu explosiven Schaffensphase zwischen 1910 und 1913 gerät dann auch die erwähnte Merkurbahn: die Bergstation in einem imposanten Muthesiusschen Herrenhausstil, die Talstation als unscheinbarer Verwandter des Henes‘schen Hauptwerks, das „Chemische Laboratorium“ von 1911 im Rottweiler Neckarpark. – Letzteres mit viel von Muthesius, aber für ein Landhaus doch wieder zu hermetisch und monumental.
Mächtig das Giebelfeld als Rahmen für ein spektakuläres aber irgendwie auch schauerliches Flachrelief: Ein Löwe spielt mit einer großen Handgranate!
(Denkmalstimme_1_2017)