Frei Otto (1925–2015)

Er praktizierte ein Bauen am Rande des Immateriellen. Otto stammt aus dem sächsischen Siegmar bei Chemnitz. Großvater und Vater waren Bildhauer. Der Vater gab ihm den so eigenwilligen wie verpflichtenden Vornamen „Frei“: frei sein von Lasten, von tief herabhängenden Dächern zumal. Allein deshalb war der spätere Stuttgarter Architekturlehrer Frei Otto ein grimmiger Gegner der so stein- und ziegelschweren Stuttgarter Schule. Dächer sollten nach seiner Auffassung vielmehr „schweben wie eine Sommerwolke“. Schon beim Studium begann er, sich organischen Formen zuzuwenden: Wirbelsäulen für Türme, Wassertropfen für Getreide- und Zementsilos!

Seine bevorzugten Formen wurden Zelt und Schirm statt drückender Betondeckel. Staunenswert seinerzeit die auf- und zuklappbare Schirmkonstruktion für die Festspiele in der Ruine von Bad Hersfeld. Ottos Denken über leichtes, freies bauen fing schon mit der Dissertation zu seinem Lebensthema „Das hängende Dach“ an. Die Erkenntnis über Leichtigkeiten bekam er schon früh durch Modellbau und Segelfliegen. Das 1943 begonnene Studium an der TH berlin hatte der Kriegsdienst unterbrochen. Er wurde Jagdflieger, ein anderes prägendes Moment. beim blick von oben über die zerstörten Städte verlor er den Glauben „an das Ewige im bauen“. Sein „Institut für Leichte Flächentragwerke“, das er 1964 an der TH Stuttgart gegründet hatte, wurde zum Modell für den vielbeachteten deutschen Pavillon 1967 bei der Weltausstellung in Montreal – ein festes, hohes Zelt, an einem schrägen Mast. Der Höhepunkt seines Werks ist aber zweifellos die mit seinem Stuttgarter Kollegen Günter behnisch erfundene Zeltdachkonstruktion für das Münchner Olympiastadion (1968– 1972). Otto bezeichnet sich, auch deshalb, als „Luftgeist“, der eigentlich nichts anderes gebaut habe als „Luftschlösser“.

Vom deutschen Architekturmagazin „Häuser“ wurde dies Münchner Luftschloss als „bestes deutsches Gebäude aller Zeiten“ deklariert. Frei Otto hat in den USA gelehrt und in Kanada, Japan und in Saudi Arabien gebaut. Am liebsten aber wirkte er mit seinen Stuttgarter Kollegen zusammen: Günter behnisch, Fritz Leonhard, rolf Gutbrod und Jörg Schlaich, einem konsequenten Fortsetzer des „Leichten bauens“ (Killesberg-Aussichtsturm). Er starb, fast erblindet, mit 90 Jahren in Warmbronn, wo er seit Langem gelebt und gearbeitet hatte. Postum wurde ihm als zweitem deutschen Architekten der Pritzker- Preis verliehen, die weltweit höchste Architekturauszeichnung. Vor ihm hatte ihn nur Gottfried böhm bekommen, der in unserem nebenstehenden Artikel eine Rolle spielt.
(Denkmalstimme_3_2018)

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