Oswald M. Ungers (1926–2007)

Quadratur ohne Kreis

Weiß, glatt, makellos. Oswald Mathias Ungers war geradezu besessen von absolut reiner Architektur nach den Maßgaben strengster Geometrie. Architektur, so einer seiner Glaubenssätze, sei nicht dazu gemacht, belebt und beschmutzt zu werden. Der Mensch störe nur ihre Vollkommenheit. Gäbe es ihn, den Architekturmönch, er wäre es gewesen.

Ungers „mönchische“ Prägung erklärt sich auch über sein Herkommen aus der Eifel. 1926 geboren und wie viele seiner Jahrgänge zuletzt noch im Krieg, hatte er nach der Gefangenschaft seine Architekturerlebnisse in Maria Laach, jenem Benediktinerkloster aus dem 11. Jahrhundert, klar, karg und ohne jede formale Irritation. „Fast wäre ich da geblieben“ (und irgendwie ist er’s ja!). Aber sein „profaner“ Abt wurde Egon Eiermann, von dessen Karlsruher Lehrstuhl aus er seinen „Mönchsweg“ nahm, nicht in tiefreligiöse benediktinische Sinnenfeindlichkeit, dafür in die Ratio des Klassizismus: Vitruv, Piranesi, Durand und immer wieder Schinkel, sein Hausgott, dessen Büste auf hohem Sockel im Garten stand. Mit dem freien, spielerischen Bauen hatte er nichts im Sinn. Ebenso verabscheute er den Funktionalismus mit seinem industriellen, dem schieren ökonomischen Nutzen gewidmeten Bauen. Sein „dritter“ Weg ging vom Quadrat aus. Für einen so reinen Formalisten wie ihn entwickelte sich alles aus diesem quasi kosmischen Ur-Modul.

Oswald Mathias Ungers, den man in Fachkreisen zu den ganz wichtigen Theoretikern der „Zweiten Moderne“ zählt, starb 2007 in Köln, wo er ein halbes Jahrhundert lang sein Büro hatte. Ungers’ Bauten, „weiß, glatt, makellos“ mit ihren unzähligen, meist quadratischen (Fenster)Öffnungen sind landauf, landab unverwechselbar und in ihrer Faktur am Torhaus der Frankfurter Messe (1980– 1983) exemplarisch zu begreifen. Im Land hat er sich an seinem Studienort Karlsruhe markant verewigt mit dem Gebäude für die Bundesanwaltschaft (1990–1994) und vor allem mit der Badischen Landesbibliothek (1983–1991), in heikler Nachbarschaft zu Friedrich Weinbrenners Stephanskirche.

(Denkmalstimme 2_2011)

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