Johannes Schroth (1859–1923)
Ein vollständiges Werkverzeichnis des badischen Kirchenbaumeisters Johannes Schroth gibt es bislang nicht, aber nach seinem Tod 1923 bescheinigt ihm ein unbekannter Autor in einem Nachruf, er hätte allein in Mittelbaden 56 Kirchen gebaut, von denen „eine schöner als die andere“ sei. Schroth war ungeheuer fleißig, maßvoll innovativ, wohltuend pragmatisch und angemessen selbstbewusst.
Nur einen Studienabschluss konnte der 1859 geborene Architekt nicht vorweisen. Der Sohn eines Zimmerermeisters studierte an den Technischen Hochschulen in Karlsruhe und Berlin und begann seine Karriere 1884 als Architekt im Erzbischöflichen Bauamt in Heidelberg. 1887 ging er für ein Jahr nach Berlin und arbeitete im Büro von August Orth, dessen Kirchen, Villen und Industriebauten das Stadtbild Berlins bis zum Zweiten Weltkrieg mitgeprägt haben. Voll neuer Impulse trat Schroth 1888 wieder in den Dienst der badischen Kirche ein, deren zentralistische Bauverwaltung wenig experimentierfreudig war und neuen Strömungen in der Architektur ablehnend gegenüberstand.
Deshalb orientierte sich Schroth an der Sakralbaukunst des Mittelalters – für andere Baustile hätte es keine Genehmigung gegeben. Das Mittelalter stand für Glaubenstreue, die ungebrochene Macht der Kirche und ein gesamtdeutsches Selbstbewusstsein, und seine Architektur schien den gründerzeitlichen Kirchenoberen alternativlos. Im Gegensatz insbesondere zu seinem Vorgesetzten Max Meckel entwickelte Schroth eine besondere Vorliebe für die Romanik: Hier ließ sich mit klaren Grundrissen und einer flächigen Wandgestaltung monumentale Wirkung erzielen. Meckel, Schüler der Kölner Dombauhütte und engagierter Verfechter neugotischer Sakralarchitektur, bremste den jungen Kollegen gerne mit dem Verweis auf dessen fehlenden Studienabschluss.
Trotzdem gelangen Schroth zahlreiche eigenständige und qualitätvolle Kirchenbauten. Er ging intensiv auf die Bedürfnisse der Pfarrgemeinden ein und suchte stets eine dem jeweiligen Ort angeHeilimessene Lösung, spielte mit neuen architektonischen Formen und ließ sich vom Jugendstil, aber auch von barocken Elementen inspirieren, ohne seine Bauherren mit allzu viel Avantgarde zu verunsichern. Dass er mit seinen Arbeiten meistens im Kostenrahmen blieb, brachte ihm zusätzliche Pluspunkte ein. So entstand eine historistische Sakralarchitektur mit individuellen Akzenten, die in vielen Orten Badens bis heute das Stadtbild prägt.
(Denkmalstimme_4_2022)