Egon Eiermann (1904–1970)
Wer in den 1950er Jahren Architektur studierte, wollte nach Karlsruhe. An der Technischen Hochschule unterrichtete ein charismatischer Professor, der sein Bekenntnis zur Moderne mit dem Anspruch einer humanen Architektur verband: „Das bewusste Reduzieren, das Weglassen, … hat eine tiefe ethische Grundlage: Nie kann etwas zuwider sein, was einfach ist“, war einer der Grundsätze von Egon Eiermann.
Die Berliner Gedächtniskirche, das Abgeordnetenhaus des Bundestags in Bonn, das Hauptverwaltungsgebäude von IBM in Stuttgart-Vaihingen – Eiermann prägte mit strenger Geradlinigkeit die Architektur der jungen Bundesrepublik. Stahl war sein liebster Werkstoff, im Gegensatz zum unendlich formbaren Beton präzise, elegant und schlicht: „Ich möchte als Liebender des Stahls sagen, dass für mich der Stahlbau das aristokratische Element des Bauens darstellt.“
Nicht nur in der Architektur wendete er ihn an, sondern auch im Möbeldesign: Sein Gestell für Arbeitstische ist bis heute ebenso ein Designklassiker wie seine Stahlrohrstühle. Eiermann war während seines Architekturstudiums Meisterschüler von Hans Poelzig. Nach kurzem Intermezzo bei Karstadt eröffnete er 1931 sein Büro in Berlin und war vor allem im Industriebau erfolgreich, der ihm Freiräume für seine moderne Entwurfspraxis bot. Technisches wie Aufzüge integrierte er als ästhetisches Element in seine Gebäude – für ihn Symbole des technischen Zeitalters.
So gelang ihm trotz öffentlicher Aufträge eine klare Distanz zur nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ästhetik. In der Nachkriegszeit hätten ihn viele deutsche Hochschulen gerne auf einem Lehrstuhl gesehen. Eiermann entschied sich für Karlsruhe, wo er auch sein eigenes Büro betrieb. 1958 entwarf er mit Sepp Ruf die deutsche Pavillongruppe der Weltausstellung in Brüssel: Acht Glaskuben fügen sich organisch in eine sanft modellierte Parklandschaft. Die beiden verzichteten auf alles, was überwältigend daherkam, und verbanden Technik und Kunst: „Architekten sind ein merkwürdiges Volk. Von den Technikern werden sie für Künstler gehalten und von den Künstlern für Techniker. Beide haben recht.“ (bach)