Stuttgart/Geislingen – Errichtet wurde die Kirche im Zentrum von Geislingen erst in den Jahren 1927/28. Ihre Architektur nimmt aber trotz expressionistischer Formensprache Bezug auf einen Vorgängerbau aus der Spätgotik. Die Denkmalstiftung Baden-Württemberg unterstützt die Sanierung dieser Pfarrkirche mit ihrer seltenen Kombination von Baustilen mit 150.000 Euro aus Mitteln der Lotterie GlücksSpirale.

Die Gotik galt unter expressionistisch orientierten Architekten in den 1920er-Jahren als ein besonders vollkommener christlicher Baustil. Das erklärt, weshalb die Rottenburger Architekten Hans Lütkemeyer und Martin Schilling den spätgotischen Turm und den Chor aus dem Jahr 1499 in ihre Pläne für den Neubau der katholischen Pfarrkirche St. Ulrich in Geislingen einbezogen. Auch für die Form der neu errichteten Teile orientierten sie sich am Vorläuferbau unweit des Staufenbergischen Schlosses. So erhielt der Langbau ebenfalls ein Netzrippengewölbe, das sich unter einem freitragenden Zollingerdach spannt.

Die hierdurch erzeugte räumliche Dynamik wurde in der Innengestaltung für die Inszenierung expressionistischer Elemente genutzt. Gelbe, nach oben hin heller werdende, Farbtöne im Langhaus und Wandmalereien von Albert Birkle am Chorbogen standen dafür. Von einem prachtvollen Gewölbe, „in funkelndes Gold und glühendes Rot und Orange getaucht“, ist in der Pfarrchronik die Rede. Das gesamte bauzeitliche Farbspektrum wird auch von den Buntglasfenstern wieder aufgegriffen.

Mit Blick auf eine zeitgemäße Barrierefreiheit hat sich die heutige Kirchengemeinde für eine Neuorganisation des Kirchengestühls entschieden. Auch dringend anstehende Instandsetzungs- und Restaurierungsarbeiten werden in Angriff genommen. Schäden durch Wassereintritt im Gewölbe und Feuchtigkeit in den Sockelbereichen gilt es zu beheben. Weitere Reparaturen sind an den Fenstern und am Dachstuhl notwendig. „Unter den Aspekten des Denkmalschutzes ist es besonders erfreulich, dass auch die farbliche Fassung wieder entsprechend den Befunden aus der Bauzeit erfolgen kann“, sagt Roland Bürkle, Vorsitzender der Denkmalstiftung Baden-Württemberg, bei der Übergabe des Zuwendungsvertrags vor Ort.

Daran waren über die Zeit, zuletzt im Zuge von Renovierungsarbeiten in den 1980er-Jahren, immer wieder Veränderungen vorgenommen worden. Dank schriftlicher Quellen und materiellen Nachweisen, die im Zuge einer restauratorischen Untersuchung dokumentiert wurden, sind die ursprünglichen Farben und Gestaltungselemente gut zu rekonstruieren. „Wir freuen uns sehr, dass wir das große ehrenamtliche und finanzielle Engagement der Kirchengemeinde für den Erhalt dieses architekturhistorisch bedeutsamen Kulturdenkmals unterstützen können“, so Roland Bürkle.

Denkmalstiftung Baden-Württemberg

Nach ihrem Motto „Bürger retten Denkmale“ fördert die Denkmalstiftung Baden-Württemberg insbesondere private Initiativen und gemeinnützige Bürgeraktionen, die sich für den Erhalt von Kulturdenkmalen im Land engagieren. 46 Projekte hat die Stiftung bürgerlichen Rechts in diesem Jahr bereits unterstützt.

Seit ihrer Gründung 1985 hat sie über 1.700 Vorhaben mit weit über 69 Millionen Euro gefördert, um Baudenkmale vor dem Verfall zu retten. Zwei Drittel davon waren Anträge von Privaten, Fördervereinen und Bürgerinitiativen. Möglich war dies, weil sie neben den Erträgen aus dem Stiftungskapital auch erhebliche Mittel aus der Lotterie GlücksSpirale erhält. Für die Förderung und die Öffentlichkeitsarbeit zum Denkmalschutz bleibt die Denkmalstiftung Baden-Württemberg aber mehr denn je auf großzügige Spenden angewiesen.

Foto: Michael Günther, Konstanz