Stuttgart/Trossingen – Bis 2020 wurde hier noch gearbeitet, nun sollen die denkmalgeschützten Gebäude der Trossinger Kartonagenfabrik Birk zu Wohn- und Geschäftsräumen umgewandelt werden. Die Denkmalstiftung Baden-Württemberg unterstützt die Instandsetzung historischer Türen und Fenster einer ganz besonderen Bauform mit 140.000 Euro.

Als das Ehepaar Maria und Michael Birk 1879 begann, „Mundharfenschächtele“ für die in Trossingen produzierten Harmonikas herzustellen, geschah dies noch im heimischen Küchentisch. Entwickelt hat sich daraus eine Kartonagenfabrik, die maßgeschneiderte Verpackungslösungen für Lebensmittel-, Pharma- und Elektroindustrie lieferte. Das schrittweise Wachstum ist auch an den verschiedenen Baustilen der Fabrikgebäude ablesbar, die sich bis zur Schließung im Jahr 2020 auf dem Areal versammelten.

Sie umfassen ein im Jahr 1895 zum Fabrikantenwohnhaus umgebautes Bauernhaus, ein 1901 errichtetes Bürogebäude aus Klinkermaterial mit Anleihen an Renaissanceformen, einen Stahlskelettbau aus dem Jahr 1926 mit einer an die Reformarchitektur angelehnten Formensprache und weitere Bauten aus späteren Jahrzehnten. Nach Stilllegung der Produktion im Jahr 2020 verkaufte der Urenkel der Firmengründer den Gebäudekomplex, der nun denkmalgerecht in Wohn- und einige Büroeinheiten umgestaltet wird.

Ein besonderes Augenmerk aus Sicht des Denkmalschutzes gilt den bauzeitlichen Türen und vor allem Fenstern des Bestands. Darunter befinden sich zahlreiche sogenannte Panzerfenster. Bei dieser Fenstervariante handelt es sich um eine wärme- und schallschutztechnisch optimierte Konstruktion, die noch vor dem später allgemein verbreiteten Verbundfenster entstanden ist. „Auch weil dieser Fenstertyp in seiner originalen Ausführung nur in sehr geringer Zahl erhalten ist, haben die Fenster an den Trossinger Industriebauten einen entwicklungsgeschichtlichen Zeugniswert“, sagte Roland Bürkle, Vorstandsvorsitzender der Denkmalstiftung Baden-Württemberg bei der Übergabe des Zuwendungsvertrags vor Ort.

Es handelt sich dabei um eine Bauweise, bei der einfach verglaste Fenster zum Raum hin mit einer zweiten Scheibe und einem weitgehend dichten Scheibenzwischenraum versehen wurden. Regional bildete Südwestdeutschland einen Verbreitungsschwerpunkt für diesen Fenstertyp, der vor allem in Industriebauten ab 1910 verstärkt zum Einsatz kam. Gilt der Erhalt historischer Fenster schon grundsätzlich als große Herausforderung, so sind Panzerfenster heute bis auf wenige Ausnahmen aus dem Bestand verschwunden. „Dabei kommt ihnen als innovativer Zwischenschritt auf dem Weg von der bis dahin üblichen Einfachverglasung zum modernen Mehrscheiben-Isolierglasfenster eine besondere Bedeutung zu“, betonte Roland Bürkle.

Neben der von der Denkmalstiftung unterstützten Restaurierung von 165 Fenstern und drei zweiflügeligen Haustüren ist im Rahmen der Sanierungen eine denkmalverträgliche Instandsetzung der Fassaden mit ihren Naturstein- und Werksteingliederungen und ihren Putzflächen vorgesehen.

Denkmalstiftung Baden-Württemberg

Nach ihrem Motto „Bürger retten Denkmale“ fördert die Denkmalstiftung Baden-Württemberg insbesondere private Initiativen und gemeinnützige Bürgeraktionen, die sich für den Erhalt von Kulturdenkmalen im Land engagieren. 46 Projekte hat die Stiftung bürgerlichen Rechts in diesem Jahr bereits unterstützt.

Seit ihrer Gründung 1985 hat sie über 1.700 Vorhaben mit weit über 69 Millionen Euro gefördert, um Baudenkmale vor dem Verfall zu retten. Zwei Drittel davon waren Anträge von Privaten, Fördervereinen und Bürgerinitiativen. Möglich war dies, weil sie neben den Erträgen aus dem Stiftungskapital auch erhebliche Mittel aus der Lotterie GlücksSpirale erhält. Für die Förderung und die Öffentlichkeitsarbeit zum Denkmalschutz bleibt die Denkmalstiftung Baden-Württemberg aber mehr denn je auf großzügige Spenden angewiesen.

Foto: Stefan Gsellinger, Trossingen