Die Denkmalstiftung Baden-Württemberg trauert über den unerwarteten und zu frühen Tod des sicherlich bedeutendsten deutschen Geografen und Stadtplaner Karl Ganser. Er, der am 15. September 1937 als Sohn eines Landwirtes geboren wurde, verstarb am 21. April 2022 auf seinem Hof in Breitenthal bei Krumbach in Bayrisch Schwaben. Karl Ganser war ein Visionär und „Macher“ zugleich. Er war ein Mensch mit Ecken und Kanten – ihm war es nicht wichtig „gefällig“ zu sein, sondern etwas auszulösen und nachhaltig zu bewirken. Damit war er stets „geradlinig“ und konsequent.
Seine bedeutendsten Spuren hat Karl Ganser im bebauten und in urban geprägten Räumen hinterlassen. Ihm und allein seinem Engagement ist der Erhalt mehrerer Industriedenkmäler zu verdanken. Als Direktor der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park verhinderte er u.a. den Abriss der Essener „Zeche Zollverein“, den Abriss des Gasometer in Oberhausen und den Abriss des Stahlwerks in Duisburg. Und noch mehr, er wandelte die leerstehenden und vor sich hin „gammelnden“ Gebäude und Areale zu genutzten Orten der Begegnung, der Kultur und/oder der Naherholung. Das Gasometer wurde Ausstellungsbühne und Experimentierfeld, beginnend mit Christo und eine seiner ersten Installationen in Deutschland – hier: Einer aus 13.000 Ölfässern das Gasometer durchziehenden, 26m hohen Mauer „The Wall“. Die Zeche Zollverein beherbergt inzwischen u.a. ein Museum, verschiedene Kultureinrichtungen und die Folkwang Universität der Künste und das Duisburger Stahlwerk wurde in den Landschaftspark Duisburg „verwandelt“, in dem sich Natur, Sportveranstaltungen, Konzerte und faszinierende Lichtinstallationen vereinen. Über die IBA Emscher zogen sich aber viele weitere Projekte, rund 100 an der Zahl. An die 2,5 Mrd. EUR wurden hierfür investiert. Und so gelang es Ganser den „Pott“ zum Park zu wandeln. Heute ist das Ruhrgebiet nicht mehr grau, sondern (überwiegend) wieder grün. Im Rahmen des 1999 stattfindenden IBA-Finales wurde Ganser vom seinerzeitigen Bundespräsidenten Johannes Rau zu Recht als der Architekt des neuen Ruhrgebietes bezeichnet und gewürdigt.
Baukultur und deren Erhalt und Weiterentwicklung trieben Karl Ganser dazu an, dass auf bundesdeutscher Ebene eine Bundesstiftung Baukultur einzurichten sei. Er war der maßgebliche Ideenträger, er war einer der Gründungsväter und für lange Zeit der erste Vorsitzende des Fördervereins Bundesstiftung Baukultur. Bewahrung von Baukultur und Erhalt der Heimat, das waren die zentralen Motive, die ihn bis kurz vor seinem Tod an mehrere Orte und Regionen in Deutschland führten. Wo er auftrat und etwas sagte, da hatte sein Wort Gewicht – auch wenn er das oft leger in Jeans und T-Shirt tat. Ich habe ihn mehrfach so erlebt und immer wieder festgestellt, wie Menschen, die sich vor Veranstaltungsbeginn teilweise amüsiert über sein lockeres Auftreten „mokierten“, schnell verstummten, schon nach kurzer Zeit an seinen Lippen hingen und nach Veranstaltungsende ihn umringten und weiter „ausfragten“. Karl Ganser erhielt vielfache Auszeichnungen auf Bundes-, Landes- wie auch kommunaler Ebene; er erhielt u.a. eine Ehrendoktorwürde und er wurde bereits 1997 Ehrenmitglied im Bund Deutscher Architekten (BDA).
Ich hatte das Glück bei Karl Ganser an der TU München zu studieren, ich hatte die große Ehre von ihm gefördert zu werden, ihn für viele Veranstaltungen in der Bodenseeregion gewinnen zu können und ihn zuletzt vor wenigen Jahren bei Kaffee und Kuchen in Breitenthal besuchen zu dürfen. Wir trauern um einen der ganz Großen, um einen der etwas zu Sagen hatte und der mehr bewirkte als ein Stadtentwickler in Deutschland je zuvor. Wir verneigen uns vor einem ganz besonderen Menschen. Die Denkmalstiftung Baden-Württemberg wird Prof. Dr. Karl Ganser ein ehrendes Andenken gewähren.
Dr. Stefan Köhler, Geschäftsführer
Foto: Bund Naturschutz in Bayern