Karl Beer (1886–1965)

Karl Beer Sozial engagiert

Bei ihm verbindet sich weltanschauliches Engagement mit politischem Schicksal. 1886 als Sohn eines Zimmerermeisters in Ulm geboren, erlernt er den Architektenberuf von der Pike auf. Erst absolviert er im väterlichen Betrieb eine Lehre als Zimmerer, bevor er von 1905 bis 1910 an der Stuttgarter Baugewerbeschule (später Staatsbauschule) studiert. Sein Lehrer wird der Stuttgarter Kirchenbauer Clemens Hummel, in dessen Büro er von 1910 bis 1915 arbeitet.

Beers Hauptinteresse galt schon in seiner Stuttgarter Zeit dem genossenschaftlichen Wohnungsbau. Es entsteht Siedlung um Siedlung: am Westbahnhof (1928–1930), an der Wagenburgstraße (1928-1930), an der Brenzstraße (1929/30) oder die Landstadtsiedlung Silberwald (1929/30).

1926 gibt er seinem sozialen Engagement die entsprechende politische Signatur, wird SPD-Gemeinderat im Stuttgarter Rathaus und ist sogar als Baubürgermeister vorgesehen. Die 1927 entstandene Weißenhofsiedlung lehnt er als elitär ab: Zeitgleich errichtet er in direkter Nachbarschaft zu den Weißenhofhäusern von Behrens und Scharoun ein „Wohn- und Wohlfahrtsgebäude“ (Friedrich-Ebert-Bau); mit seinem integrierten Höhen- und Ausflugslokal Schönblick heute eine Ikone des Siedlungs- und Heimstättenbaus der Landeshauptstadt.

Beers letzte spektakuläre Arbeit für Stuttgart war das Gewerkschaftshaus. 1931 begonnen, sollte es am 1. Mai 1933 eingeweiht werden. Aber da hatte schon die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront (DAF) Besitz davon ergriffen. Beer kommt in „Schutzhaft“, kann aber nach Zürich emigrieren, wo er vor allem genossenschaftlichen Mehrfamilienhausbau betreibt.

Nach 1945 möchte ihn Stuttgarts Oberbürgermeister Klett für den Wiederaufbau gewinnen. Die Werbung misslingt. Tragisch, denn Beers vom handwerklichen Anspruch der ersten Stuttgarter Schule geprägter, gemäßigter Modernismus hätte gewiss einen organischeren Wiederaufbau ermöglicht. Mit 79 Jahren stirbt er in Zürich am Zeichenbrett.

(Denkmalstimme_3_2014)

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