Friedrich Weinbrenner (1766-1826)
Vom Zimmermann zum Visionär – Friedrich Weinbrenner, der große Karlsruher Klassizist.
Als Knabe soll er Gott angefleht haben, daß die Welt nicht untergehen möge, bevor er nicht das Zimmererhandwerk erlernt habe. Das Lateinische indes war ihm ein Greuel – überraschend für einen der bedeutendsten Architekten des deutschen Klassizismus, von dem eher zu erwarten gewesen wäre, daß er seinen Vitruv fleißig vom Original her exzerpiert hätte.
Friedrich Weinbrenner (1766-1826), kam ähnlich wie Michel d’lxnard, dem wir unser voriges Porträt gewidmet haben, ganz aus dem Handwerklichen. Mit sechzehn bereits ist er Bauführer im väterlichen Karlsruher Zimmermannsbetrieb. Da ihm aber, wie er in seinen „Denkwürdigkeiten” bekennt, um 1790 in seiner Heimatstadt niemand begegnete, “welcher die architektur gründlich kannte und von dem er hätte weiteres lernen können”, ging er nach Wien und später gen Italien, wo er, wie es heißt, mit „unermüdlichem Fleiß” die antiken Bauten „nach all ihren Teilen” durchstudierte.
Als Weinbrenner 1797 Rom verließ, verfügte er über ein fundiertes Wissen und ein gesichertes Formempfinden. Seine Heimatstadt Karlsruhe, wo er von nun an wesentlich wirkte, hat bis heute Nutzen und Ansehen davon. Man denke nur an diesen grandiosen Marktplatz mit der evangelischen Stadtkirche, ihrem mächtigen Säulenportikus und dem Rathaus vis-a-vis, an die sehr „römisch” wirkende Rotunde der katholischen Stadtkirche oder an das auf dreieckigem Grundriß stehende „Weltziensche Haus”, in dem heute das Karlsruher Denkmalamt sitzt.
Den Romantikern um die Mitte des 19. Jahrhunderts war Weinbrenner schlichtweg zu „kalt”, den gründerzeitlichen Nationalisten dann zu „undeutsch”. Erst um die Wende zum 20. Jahrhundert, im Zeichen von Neoklassizismus und aufblühendem Jugendstil, kommt es zu einer differenzierten Einschätzung dieses Visionärs einer badischen Antike, dessen Namen man längst in einem Atem nennt mit seinen deutschen Klassizismus-Kollegen Schinkel oder Klenze.