Arno Lederer (1947-2023)
Er kam 1947 in Stuttgart zur Welt und wollte eigentlich Denkmalschützer werden. Doch dazu gab es keine Möglichkeit. In einem Interview für unser Heft (1/2012) sagte er, er habe zur Zeit der Achtundsechziger in Stuttgart angefangen zu studieren, aber das Fach „Denkmalpflege“ sei an der TH keinesfalls vorgesehen gewesen. Der Umgang mit bauhistorischer Substanz, damals ein „alter Hut“. Und die Lehrer – allesamt der Nachkriegsmoderne verpflichtet! Geschichte habe ihnen geradezu als Tabu gegolten.
So beschloss Lederer, in Wien ein Jahr Denkmalpflege zu studieren, und betrieb schließlich ab 1985 sein Architekturbüro in Stuttgart mit seinen Kollegen Jórún Ragnarsdóttir und Marc Oei, mittlerweile weithin bekannt und hoch angesehen.
Schon bei der Arbeit an der Marianenschule in Hegne am Bodensee erweist sich Lederer als Meister des Bauens im Bestand, was den „studierten“ Denkmalschützer zweifellos erkennen lässt: Nahtlos fügensich seine Ergänzungen in die vorhandene Substanz von Renaissance und Neorenaissance.
Respekt vor dem Vorhandenen trifft sich bei Lederer mit viel Achtung vor dem Handwerk, ganz im Sinne von Theodor Fischer (1862–1938). In der Festrede zur Eröffnung einer Retrospektive für seinen Kollegen Gottfried Böhm (Heft 3/2006) im August 2008 plädiert Lederer geradezu leidenschaftlich für die Handarbeit in der Architektur, für eigenhändiges Zeichnen und Formen statt der Überantwortung des kreativen Parts an den Computer.
Beide Komponenten, Überlieferung und Handwerk, kommen in Lederers Ravensburger Kunstmuseum exemplarisch vor: Die Außenhaut ist aus Altziegeln von abgebrochenen Gebäuden, ein Werkstoff mit „eingebauter Patina“. „Wir müssen beim Bauen von einer Produktionsgesellschaft zu einer Verwertungsgesellschaft kommen“, so Lederer über seine Ravensburger Arbeit, die ihm mit seinem Büro 2013 den Deutschen Architekturpreis eingetragen hat, weil es sich um ein exemplarisches „Passivhaus“ handelt, das seine Energie aus acht in jeweils in 100 Meter Tiefe liegenden Erdsonden bezieht. Lederers Oeuvre respektive das seines Büros, kurz „LRO“, ist reich vor allem an öffentlichen Bauten, speziell in Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg. Fast alle wurden mit Preisen bedacht.
Derzeit entsteht in Stuttgart seine Erweiterung der Württembergischen Landesbibliothek, die ersten Eindrücken zufolge dem ursprünglichen Bau (1964–70) glatt die Schau stehlen könnte.
(Denkmalstimme_3_2019)