Erich Mendelsohn (1887–1953)
Rundliche Fassaden, lange Fensterbänder und eine Betonung der Horizontalen – der Architekt Erich Mendelsohn baute in den 1920er Jahren mit schlichter Eleganz und rhythmischem Ausdruck gegen den dekorativen Historismus der Gründerzeit an und wurde so zu einem der bedeutendsten Architekten des 20. Jh.
Nach dem Studium der Architektur in Berlin und München ließ er sich 1912 mit eigenem Büro in München nieder, zog nach dem Ersten Weltkrieg nach Berlin und wurde sehr schnell sehr erfolgreich: Mit bis zu 40 Mitarbeitern realisierte er zahlreiche Fabrik- und Wirtschaftsgebäude sowie große Kaufhäuser.
Seine Karriere verdankte er auch dem Cellospiel seiner Frau Luise Maas: Die musizierte mit dem Astrophysiker und Cellisten Erwin Freundlich, dessen Bruder Herbert war stellvertretender Direktor am Kaiser-Wilhelm- Institut für Physikalische Chemie. Die Brüder träumten von einem Observatorium, mit dem sie Einsteins Relativitätstheorie experimentell bestätigen wollten. Mendelsohn baute ihnen den sogenannten Einsteinturm in Potsdam und wurde mit diesem ungewöhnlichen, expressionistischen Bauwerk schlagartig bekannt.
Im Frühjahr 1933 emigrierte er nach England, zwei Jahre später eröffnete er ein Büro in Jerusalem, und ab 1941 lebte er in den USA. Nach Deutschland wollte er nie wieder zurück.
Aufgrund der Lebensumstände und seines Renommees können Mendelsons Bauwerke heute von Haifa über London bis San Francisco bewundert werden. Nur eines stand in Süddeutschland: das Stuttgarter Kaufhaus Schocken. Es hatte den Bombenkrieg fast unversehrt überstanden und wurde trotz vehementer Proteste aus der ganzen Welt 1960 abgerissen.
Mendelsohn selbst nannte seine Architektur „organisch“, zitierte gerne Elemente aus dem Schiffsbau wie Reling oder Kommandobrücke, und er favorisierte Flachdächer, Stahl und Beton. Das Gebäude der heutigen Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin ist ein typischer Mendelsohn-Bau. Das Mossehaus in Berlin-Mitte, das zu den 100 wichtigsten Berliner Gebäuden zählt, wurde von ihm umgebaut. Sein Wirken beschränkte sich aber keineswegs auf das Berlin der 1920er Jahre: Mendelsohn lebte in drei Ländern, arbeitete auf internationalem Niveau und wurde mit seiner progressiven „Stromlinienmoderne“ wegweisend für den Städtebau auf der ganzen Welt. (bach)