Emanuel von Seidl (1856–1919)
Der Villen-Baumeister
Sein Bruder Gabriel (1848–1913) war zwar (noch) berühmter, aber Emanuel galt dann doch als der berühmteste Villenarchitekt seiner Zeit – die Garmischer Villa des Komponisten Richard Strauß (1908) ist seine populärste Arbeit auf diesem Gebiet. Zusammen mit seinem Bruder Gabriel, Max Littmann (3/2011) und Theodor Fischer (1/ 1999) prägt er aber auch das München bis zum Ersten Weltkrieg, dessen stolze bürgerliche Repräsentationskultur ja noch immer überrascht.
Seidl war damals in der Münchener High Society als Architekt sehr gefragt und wurde im Jahr 1906 gar in den für einen Baumeister sonderbar anmutenden Ritterstand erhoben. Seine populärsten Münchner Arbeiten sind denn auch die Gestaltung des Tiergartens Hellabrunn (Elefantenhaus) und der Augustiner-Biertempel im Herzen der Stadt. Der Muschelsaal dort weist wiederum deutliche Ausstattungsanalogien zu Sigmaringens Schloss auf. Denn 1893 war die Residenz der Hohenzollern dort weitgehend abgebrannt, und man konnte schließlich Emanuel von Seidl für den Wiederaufbau gewinnen, der hier zwischen 1900 und 1906 baute und restaurierte. Ein Glücksfall. Zu den originellsten, einprägsamsten Räumen des schlösserreichen Baden-Württemberg wurde dabei Seidls Portugiesische Galerie. Ein Neubau, mit dem er das Schlossareal nach Süden hin arrondierte. Dieser Galerie ist eine (neo)klassizistische Halle vorgesetzt, von der es stilistisch sozusagen zurückgeht – denn die Portugiesische Galerie dominiert neubarocker Stuck. Auch an den anderen Schlossräumen, etwa den Josephinengemächern, hat Seidl mitgewirkt. Er galt ohnedies als begnadeter Ausstatter und hat in dieser Eigenschaft 1900 bei der Pariser Weltausstellung an herausragender Stelle mitgewirkt.
Zuvor aber und nach der Sigmaringer Arbeit erweiterte er auch das Barockschloss in Bodman am Bodensee (das 1830/31 im Weinbrenner-Stil klassizistisch erweitert worden war), 1907– 1909 zu einer Vierflügelanlage. Seidls zweite und leider auch letzte Arbeit im Land.
(Denkmalstimme 4_2011)