Otmar Schär (1920–1977)

Heilbronn hat in der Bombennacht vom 4. Dezember 1944 innerhalb von nur 20 Minuten seine reichsstädtische Identität verloren. Von der während Renaissance und Barock architektonisch aufblühenden Handels und Weingärtnerstadt war wenig geblieben. Wiederaufbau wurde auch hier zur Überlebensfrage. Man entschied sich für die autogerechte (Innen-) Stadt mit breiten Schneisen, gesäumt von Geschäftshäusern. Etliche stammen in ihrer schlichten Noblesse, oft typisch für die Jahre zwischen 1950 und 1960, von Otmar Schär, der das Nachkriegsbild Heilbronns entscheidend mitgeprägt hat.

Schär kam aus dem Sudetenland, wurde zur Luftwaffe eingezogen und verlor beim Einsatz über Frankreich ein Bein. Er kam ins Standortlazarett nach Heilbronn und studierte noch während des Krieges Architektur in Stuttgart und Prag. Nach kurzer Internierung ging er wieder nach Heilbronn, wo er ab der Währungsreform im Juni 1948 ein Architekturbüro unterhielt. Ins Licht der Öffentlichkeit trat er nach 1950 durch innerstädtische Bauten, zeittypisch kombiniert mit Läden und Geschäftsräumen im Erdgeschoss und Wohnungen darüber, etwa bei der Einhorn- Apotheke 1954/55. Der Heilbronner Denkmalschützer Joachim Hennze hat dem Architekten eine Studie in der „Kleinen Schriftenreihe des Archivs der Stadt Heilbronn“ gewidmet. Zur Einhorn-Apotheke schreibt er: „Architektonischer Clou war das aus der Fassade zurückspringende Erdgeschoss, das die Verkaufsräume der Apotheke aufnahm und durch eine von Pfeilern gestützte Arkade akzentuiert wurde.“ Über diesem Erdgeschoss wachsen Betonstreben bis unters vorkragende Flachdach. Die „Heilbronner Stimme“ befand seinerzeit, die Betonung der senkrechten Teile des Betonskeletts verleihe dem Bau moderne Großzügigkeit. Allerdings verlor die Apotheke durch einen Umbau von 2015 ihr markant zurückgezogenes Erdgeschoss.

Schär hat in Heilbronn bis etwa 1970 noch Vieles gebaut, auch Hochhausversuche gehören dazu. Hennze: „Mit den ‚kleinen‘ Hochhäusern am Wollhaus sowie in der Kaiserstraße von 1961 beziehungsweise 1969 dekliniert er einen damals modischen, aus den USA und England nach Deutschland importierten Haustyp auf die ihm eigene Weise.“

(Denkmalstimme_2_2019)

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