Otto Bartning (1883–1959)
Er stammte, wie sein Altersgenosse Martin Elsaesser, aus einem engagiert protestantischen, aber auch musischen Milieu. In Karlsruhe geboren, studierte er wechselweise Architekter an der dortigen TH und an der TH in Berlin-Charlottenburg. Noch als Student, erst 25, errichtete er sein erstes evangelisches Gotteshaus, eine Friedenskirche mit Pfarrhaus im steiermärkischen Peggau – sozusagen das Initial für seine architektonische Lebensbestimmung. Bartning gehörte zu den Mitbegründern des Werkbunds (1913) und vertrat in den zwanziger Jahren stilistisch eine gemäßigte Moderne.
Wiewohl hauptsächlich Kirchenarchitekt, ist er auch an vielen Wohnbauten beteiligt, am bekanntesten der „Lange Jammer“ in der Berliner Großsiedlung Siemensstadt (1929/30). 1926 wird Bartning Leiter der staatlichen Bauakademie in Weimar, die dem nach Dessau abgewanderten Bauhaus folgte. Im Dritten Reich galt Bartning als unzuverlässig, konnte aber zwischen 1933 und 1945 weiterarbeiten, vor allem als Kirchenbauer, sogar in Lissabon und Barcelona. Nach dem Krieg entsteht ein nach ihm benanntes Notkirchenprogramm. Für das Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland entwickelt er eine Elementarbauweise im Baukastensystem. Zwischen 1948 und 1951 entstehen so etwa 50 „Bartning-Notkirchen“. Ihr Prinzip: Verfestigte Holzbinder werden zu einem Kirchenschiff zusammengesetzt und mit Trümmersteinen ausgefacht.
So ließen sich auch kriegszerstörte Kirchen mit einbeziehen und es konnte regionale Bausubstanz verwendet werden. Bartnings Grundmuster dafür war der „Typ B“, in dem zwischen 350 und 500 Gläubige Platz fanden: einfache Saalkirchen über recht- oder mehreckigem Grundriss. Von Bartnings Notkirchen sind noch einige erhalten. Am eindrucksvollsten die Auferstehungskirche mit ihrem polygonal durch hölzerne Binder artikulierten Altarraum in Pforzheim. Andere wichtige Beispiele in Nordbaden sind die Gnadenkirche in Mannheim und die Friedenskirche in Karlsruhe.
(Denkmalstimme_2_2016)