Maßwerk

Ein aus Kreisformen bestehendes Ornament ohne gegenständliche Bedeutung nennt sich Maßwerk, weil seine Formen mit dem Zirkel konstruiert oder eben „gemessen“ werden. Maßwerk kommt speziell an den Bauwerken der Gotik vor, und dort an Türen, Fenstern, Balustraden und Türmen. Es ist schlicht d a s Erkennungsmerkmal der Gotik. Seine Verbreitung in jener Bauepoche lässt sich mit dem „Horror Vacui“ erklären, der Scheu vor der Leere, die in dem Zwickel oben entsteht, wenn zwei Fenster von einem spitzbogigen Rahmen umsäumt werden. Für das sich so ergebende Feld ist die einfachste Schmuckform der Kreis, die Hauptvoraussetzung für viele ihn füllende Maßwerkfiguren, die wiederum aus gebrochenen Kreisen im Kreis bestehen, den Pässen. Eine andere Figur ergibt sich, wenn man durch einen Kreismittelpunkt ein „S“ legt. Dann zeigt sich eine doppelte Fischblase, auch „Schneuß“. Kommt ein zusätzliches S im rechten Winkel dazu, erscheint der „Zweischneuß“ mit vier Fischblasen, bei dreien, dem „Dreischneuß“, bildet sich gar ein Wirbel.
In der französischen Gotik ziehen sich die Fischblasen in die Länge, so dass sie wie stilisierte Flammen wirken, „Flamboyants“ genannt. Der an Gotik so reiche Südwesten bietet naturgemäß auch reichlich Maßwerk. Die Türme der großen Kirchen dieser Stilart in Konstanz, Freiburg, Ulm oder Esslingen sind ohne Maßwerk nicht zu denken. Aber auch dort, wo die Gotik äußerlich nicht so sehr in Erscheinung tritt, ist Maßwerk hauptsächliches Ausstattungselement, in den Chorfenstern von Marbachs Alexanderkirche etwa, am Lettner der eigentlich romanischen Kirche St. Dionys in Esslingen oder auch in den Kreuzgängen von St. Stephan zu Bad Wimpfen im Tal und vom Kloster Maulbronn. Auch außerhalb des kirchlichen Rahmens begegnet dem Betrachter gotisches Maßwerk häufig, so an Rathäusern oder Brunnen. Der gotische Brunnen auf dem kleinen Marktplatz von Bad Urach wäre hier zu nennen oder der Kastenbrunnen auf dem Ulmer Marktplatz.

(Denkmalstimme 1_2020)

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