Fachwerk

Fachwerk oder Fachwerkbau ist eine Skelettbauweise, die aus einem tragenden Gerüst und nicht tragenden Wandfeldern, den so genannten Gefachen besteht. Im Hausbau besteht das Gerüst aus Holz (meist Eiche oder Nadelhölzer), die Gefache können mit Lehm, Bruchstein- oder Ziegelsteinmauerwerk oder auch aus Brettern bzw. Bohlen ausgefüllt werden. Es gibt nebenbei bemerkt außerdem Eisenfachwerk, insbesondere bei Brückenbauten des 19. Jahrhunderts.

Die ältesten, noch aufrecht stehenden Fachwerkbauten in Deutschland und Europa stammen aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ein wichtiges Kriterium für die zeitliche Einordnung und Charakterisierung stellen die Holzverbindungen dar. Zu den bekanntesten und häufigsten Verbindungsarten zählen die Verblattungen und Verzapfungen. Obwohl beide Varianten bereits bei Häusern des 13. Jahrhunderts vorkommen, zeichnet sich das spätmittelalterliche Fachwerk vor allem durch verblattete Verbindungen aus. Ab dem Beginn der Frühen Neuzeit um 1500 dominiert dann die Verzapfung als Holzverbindung.

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Profanbau allgemein und dem Fachwerkbau im besonderen begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf den Architekten und Hochschullehrer Carl Schäfer (1844–1908) und dessen Schüler geht die Dreiteilung in „niedersächsisches“, „fränkisches“ und „alemannisches“ Fachwerk zurück. Diese stammeskundlich-geographische Forschung, die als „völkische“ Denkart im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt erlebte, wurde bereits mit der Gefügeforschung des Münsteraner Kreises unter dem Germanisten Jost Trier (1894–1970) und dem Volkskundler Josef Schepers (1908–1989) als wissenschaftlich unhaltbar erkannt.

Der Ersatz der Stammesbegriffe durch die sachlicheren Bezeichnungen „niederdeutsches“, „mitteldeutsches“ und „oberdeutsches“ Fachwerk ist als grobe regionale Gliederung mit Einschränkungen verwendbar. Allerdings zeigen sich insbesondere bei den seit der Frühen Neuzeit verwendeten Zierformen näher betrachtet immer wieder Überschneidungen und Unstimmigkeiten einer Abgrenzung.

Für die einzelnen Gerüstteile des Fachwerks werden Fachbegriffe angewandt. Zu den wichtigsten Balken gehören die senkrechten Eck- und Wandständer, die horizontalen Schwellen, Riegel und Rähme sowie die versteifenden Streben. Je nach Anordnung werden Fußstrebe, Kopfstrebe und Langstrebe unterschieden. In populärwissenschaftlichen Publikationen und touristischen Führungen ist der Fingerzeig auf die Strebefigur des „Mannes“ aus je zwei kurzen Kopfstreben und je zwei langen Fußstreben beiderseits eines Wandständers nach wie vor beliebt. Prekär und wissenschaftlich unhaltbar ist es, wenn dabei weiterhin von „Schwäbischen“ oder „Fränkischen“ Mannfiguren die Rede ist. Schon sehr früh wird in der Fachwerkforschung die Region Franken als Ursprung des frühneuzeitlichen, daher auch „fränkischen“ Fachwerks gesehen. Von dort aus soll es sich in Richtung Südwesten Deutschlands ausgebreitet haben. In der jüngsten Forschung wird das nun in Frage gestellt. Der Rottenburger Bauforscher Tilmann Marstaller hat erste Beispiele verzapfter „Mannfiguren“ bereits im Kontext des 1477 gegründeten Stifts der Brüder vom Gemeinamen Leben in Bad Urach, also im direkten Umfeld der württembergischen Residenz unter Graf Eberhard im Barte nachgewiesen (Schwäbische Heimat, 3/2020).

Während das spätmittelalterliche Fachwerk etwa durch Vorkragungen von Stockwerken und durch winkelförmige Knaggen gestalterische Qualität erlangen konnte, wird das neuzeitliche Fachwerk insbesondere durch regelrechte Zierhölzer und zunehmende Farbigkeit geprägt. Zu den Zier- oder Schmuckhölzern zählen gerade und gebogene Andreaskreuze, Rauten, Durchkreuzungen von Andreaskreuzen mit Raute oder Kreis sowie Fächerrosetten. Vor allem im 16. und 17. Jahrhundert wurden s-förmige Hölzer und gebogene Andreaskreuze gerne mit so genannten Nasen besetzt. In der Zeit des Nationalsozialismus entstand die heute überholte und unter Fachleuten abgelehnte Bezeichnung „Feuerbock“ für ein gebogenes Andreaskreuz mit Nasen.

(Text: Prof. Dr. Michael Goer)

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