Gaden

Das mittelhochdeutsche Urwort „gadem“ konnte sowohl ein aus nur einem Zimmer bestehendes Gebäude meinen, einen großen Raum oder auch ein Stockwerk. Von hier aus lässt sich leicht auf den kunsthistorischen Begriff „Obergaden“ schließen als der Fensterzone über dem Hauptschiff einer Basilika. Dies oberste Lichtstockwerk ist geradezu das Erkennungsmerkmal der hier im Südwesten fast immer dreischiffigen romanischen Kirchen.

Bei Sindelfingens St. Martin, 1083 vollendet und damit eine der ältesten romanischen Basiliken im Land, erhebt sich das Mittelschiff mit seinen „klassisch“ ausgeprägten Obergaden- Rundbogenfenstern deutlich über die Seitenschiffe (Bild). In Denkendorfs Klosterkirche ist der Obergaden durch seine farblich akzentuierten Fensterfriese auch ein belebendes architektonisches Element. Bei den „Lichtgeburten“ der gotischen Kirchen bestand der Obergaden dann nicht mehr nur aus einfachen, rundbogig gedrungenen Lichtöffnungen. Nun markierten ihn hohe, spitzbogige Maßwerkfenster, oft paarweise beieinander und manchmal auch im Dreierverbund wie etwa beim Chor der Kathedrale von Amiens.

Überhaupt ist der Chorobergaden eines der Hauptmerkmale großer gotischer Kathedralen – Köln natürlich, Toul, Reims und dann der Höhenrausch von Beauvais, wobei hier wie in Amiens und Troyes ein Trifonium, ein von Maßwerk umrahmter Arkaden-Laufgang, unter dem Obergaden entlangführt.

(Die eindrucksvollen Anschauungen über den gotischen Obergaden verdanken wir vor allem zwei Neuerscheinungen: Werner Schäfkes „Frankreichs gotische Kathedralen“ und Leonhard Heltens „Mittelalterliches Maßwerk“. Sie sind zur Vertiefung der Kenntnisse des mittelalterlichen Kirchenbaus unbedingt zu empfehlen und ergänzen unseren Sammel-Buchtipp zur Kathedrale in dieser Ausgabe. Dort finden sich auch die bibliografischen Angaben.)

(Denkmalstimme_1_2009)

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