Herme

Hermes (römisch Mercurius) war gewiss der vielseitigste und unterhaltsamste Gott der griechischen Antike. Er galt als Herr von Erfindungsgabe und Anmut; Gewandtheit, List, aber auch Verschlagenheit gehörten zu seinen Eigenschaften. Er erfand Lyra und Syrinx, die Panflöte; Pan soll dazu auch sein Sohn gewesen sein. Als Inbegriff des Stürmenden und Eilenden, als Gott des Handels, des Verkehrs, des Fahrens und Reisens zeigt man ihn gern mit Flügeln, auch an Hut und Helm. So war Hermes Beschützer der Reisenden, zumal er in der Antike die Wege hütete. Deren Ränder säumten heilige Steinhaufen, aus denen Hermen als Wegweiser für die Reisenden herausragten, das waren Pfeiler mit dem Kopf des Gottes obenauf.

Kein Wunder, dass die Renaissance eine solche bedeutungsschillernde Figur zur architektonischen Ausstattungsfigur wiedererweckte. Die antike Herme als Götterkopf auf einer Art Säule entwickelte sich nun ästhetisch weiter zu einer Halbfigur, einem Torso auf einer sich verjüngenden Stele oder einem Pfeiler. Oft waren derartige Hermenpfeiler oder auch Hermenpilaster Tragefiguren etwa für Architrave als durchgehende Längsbalkenträger unter der Dachtraufe oder auch Balkone. Die Hermen tragen allerdings im Gegensatz zu den Atlanten, die zu ihren nächsten Verwandten gehören, die Lasten mit dem Kopf und wirken dabei eher schwerelos, während wiederum die Atlanten demonstrativ kraftvoll ihre Last mit den Armen stemmen.

Die Villa Bohnenberger in der Stuttgarter Olgastraße ist eine regelrechte Heimstätte für Hermen, wo sie etwa als lebensgroße Torsi auf elegant einwärts geschwungenen Stelen die Loggia des ehemaligen Lustgartens bevölkern (unser Bild). Bauherr dieser Villa, eines repräsentativen Stadtpalais der Stuttgarter Spät-Neorenaissance von 1869–1871, Arthur Bohnenberger, war ein bedeutender Gutsbesitzer – und Hermes galt ja auch als Gott der Herden und Schutzherr der Bauern.

(Denkmalstimme 1_2011)

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