Laufender Hund

Der Mäander ist eines der ältesten Ornamente im Kunsthandwerk und schon aus der Frühgeschichte als Keramikverzierung bekannt. Ihren Namen hat die Form von Maiandros, einem kleinasiatischen Fluss mit vielen Windungen. Aus der starr geometrischen Mäanderform entwickelte sich schließlich auch ein organisch bewegtes, spiraliges oder wellenförmiges Muster, für das man den anschaulichen Begriff „Laufender Hund“ erfunden hat, der wissenschaftliche wäre statt dieser munteren Metapher „Vitruvianische Volute“, benannt nach dem römischen Architekturtheoretiker Vitruv (1. Jh. v. Chr.). Ein anderer, eher kunstwissenschaftlicher Terminus ist „Figura serpentinata“, was auf die schlangenhafte Gewundenheit verweist.

Die allegorische Bewandtnis in der Antike war, dass diese gerundete Mäanderform die stetige Reproduktion des Lebens symbolisieren sollte: Das alte Wesen rollt sich zusammen, das junge entfaltet sich und fließt weiter und weiter … Mäandermuster, insbesondere Laufende Hunde, finden sich als Tapetenmuster, Borten oder Intarsien in klassizistischem Mobiliar.

Als äußere Hauszier hingegen sind sie sehr selten. Wir haben sie an einer Stuttgarter Villa von Paul Bonatz entdeckt, der Villa Kopp (1911/12). Sie steht in der Gellertstraße, Stuttgarts
Halbhöhenlage im Osten. Heute wird das Haus von der Galerie Valentien genutzt. Wer sonst sollte diese Hauszierde planen als Paul Bonatz, der noch im Alter den Homer im Original gelesen haben soll?

Hier, so scheint es, hat er sich aus seiner klassizistischen Phase gewissermaßen mit einem klassischen Zitat verabschiedet. Sein Laufender Hund in der Gellertstraße ziert die Traufzone unterhalb eines Zinnenfrieses.

Die Figur erscheint als grün bemaltes Flachrelief. Der Zinnenfries als Betonung der Traufzone kommt oft vor bei Bonatz, der mäandrierende Laufende Hund aber nur dieses eine Mal!
(Denkmalstimme_2_2017)

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