Georg von Morlok (1815–1896)
Der Bahn-Baumeister
Sein Berufsleben ist eng mit dem Königreich Württemberg und dem segensreichen Aufkommen der Eisenbahn verbunden.
In Dätzingen, damals Oberamt Böblingen, sollte sein Hauptwerk, die Gäubahn von Stuttgart nach Rottweil (und dann weiter nach Singen und Zürich) wiederum über heimatliche Gefilde führen – von Böblingen nach Herrenberg und Eutingen im Gäu. Ein nur noch wenige Monate wahrzunehmendes Geniestück ist dabei der sanfte, aussichtsreiche Bogen, den die Gäubahn nimmt, um, über den Stuttgarter Westen steigend, die Filderhochebene zu gewinnen. Dabei passiert sie kurz hinter dem Hauptbahnhof das Postdörfle, Stuttgarts erste größere Arbeitersiedlung, von Morlok zwischen 1868 und 1872 für etwa tausend Werktätige gebaut: Nur, von den 37 Häusern mit insgesamt 214 Wohnungen ist gerade noch eins übrig geblieben, ein respektabler Klinkerbau im Rundbogenstil auf hohem Natursteinsockel und mit 13 Fensterachsen. Mittlerweile ist aus Morloks letztem Siedlungsrelikt für Stuttgarts Bahner und Postler aber nach etlichen Veränderungen ein veritables Nobelhotel geworden (dazu auch Heft 1/2008). Derart verändert nahm es Stuttgarts Untere Denkmalbehörde aus ihrer Denkmalliste.
Morloks bedeutendstes Bauwerk war Stuttgarts erste Markthalle anstelle der heutigen. Eine höchst elegante, leichte Gemüsekathedrale aus Glas und Eisen nach dem Vorbild von Baltards Pariser Hallen (1854– 1857). Sie musste dann dem weitaus „erdigeren“, bodenhaftenderen Neubau von Martin Elsaessers Markthalle weichen (1911– 1913). Was den Stuttgartern von Morlok geblieben ist, mag als ähnlich fragmentarischkulissenhaft gelten wie sein Postdörfle-Modellhaus: das Portal des alten Stuttgarter Hauptbahnhofs in der Bolzstraße. Zwischen 1863 und 1867 hat er ihn zusammen mit seinem berühmteren Bauingenieur-Kollegen Karl Etzel gebaut. Fünf prächtige Sandsteinbögen im Stil der Neo-Renaissance waren für die Stuttgarter damals die Tore zur Welt.
(Denkmalstimme_3_2010)