Allerlei Blendwerk

Die Blende gibt nur vor, es fehlt ihr der Hintergrund, sei’s als Arkade, Bogen, Giebel, Maß- und Mauerwerk oder auch als Rahmen. Sie ist das architektonische „Als-ob” und am besten bringt es der italienische Begriff mit „Opera finta” auf den Nenner – eine Finte am Bau also. Nur, um wie viel langweiliger wäre unsere Architektur ohne diese Kosmetik. So aber kann man einer bloßen Mauer etwa Arkaden vorblenden, um sie dadurch zu rhythmisieren, oder, weniger anspruchsvoll, Bögen, und bekommt so eine Blendarkade oder einen Blendbogen, beide beliebte Stilmittel in Romanik und Gotik. Unter dem Stichwort Blendfassade etwa findet man im Krönerschen Bildwörterbuch der Architektur die Sentenz “(auch) Scheinfassade, Fassade, die einem andersartigen, meist unschönen oder in seinen Proportionen bzw. in seiner Gestaltung ästethisch nicht befriedigenden Baukörper vorgelagert ist”.
Also ein „Vorhang”, der einen dahinterliegenden nüchternen Zweckbau optisch „retten” kann. Allerdings, da es eben nur ein Vorsatz ist, keinesfalls aber der lebendige, mitgewachsene Ausdruck eines Gebäudes, nennen es die Engländer „Dead facade”. Ein Blendgiebel nun kann ein Haus insbesondere an der Frontseite schmuckreich erhöhen und es so im Ansehen nach außen heben, wie etwa diese beiden Exemplare in Stuttgarts Alexanderstraße 116 (unser Bild). Aber auch die Längs- oder Breitseite eines Dachs lässt sich mit einem Blendgiebel unterteilen und wiederum differenzieren.
Die Blende als Überbrückung des Horror va­cui ist mit der so genannten Moderne, die es sich, wie etwa das Bauhaus, zum Ziel setzte, die Zweckbestimmtheit eines Baues innen wie außen augenfällig zum Ausdruck zu bringen, ziemlich aus der Übung gekommen. Aber in gewissen Verspieltheiten der Postmoderne und auch durch die großflächigen Fassadenmalereien der letzten Jahrzehnte, haben die Blenden interessante Varianten gefunden.

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