Kanzel

Sie beginnt im Hochmittelalter den Ambo und auch den selteneren Lettner zu ersetzen. Ambo und Lettner grenzten das Langhaus vom Chor ab: der Ambo eher wie eine Art Lesepult, der Lettner als regelrechtes Binnenbauwerk, als eine Art Schranke mit Arkaden und Balustraden. Besonders in Mönchskirchen wurde von hier oben herab gepredigt. Wie eben von der Kanzel. Sie wird Bestandteil des Langhauses und bedeutet für ärmere Kirchen oft die eigentliche skulpturale Zier des Kirchenraums.

Meist befindet sie sich an den vorderen Säulen oder Pfeilern der Epistel- oder Südseite des Langhauses, bevorzugt an der Vierung, dem Übergang von Langhaus zum Chor. Praktischer Sinn war die bessere akustische Vernehmbarkeit des Predigerworts. Üblicherweise besteht sie aus vier Teilen: Fuß, Aufgang mit Balustrade, Korb und Schalldeckel. Der Fuß konnte eine einfache Säule sein, aber auch eine Figur, die den Kanzelkorb trug. Der ist rund oder polygonal, meist achteckig. Zu seinem Bildprogramm gehören die vier Evangelisten oder auch die vier Kirchenväter des christlichen Westens, Gregor, Ambrosius, Augustinus und Hieronymus. Über dem Predigtkorb schließlich schwebt der Schalldeckel schützend wie ein Baldachin. Seine phantasiereiche Ausgestaltung war Barock und Rokoko vorbehalten: Wolken, Faltenwürfe und kleine Himmel für die ihn umschwärmenden Putti.

Im protestantischen Barock Mitteldeutschlands entsteht der Kanzelaltar, wobei es hier die Kanzel ist, die über dem Altar zu schweben scheint. Diese der Wortverkündigung vorbehaltene Kombination wird oft noch von der Orgel bekrönt. Eine Besonderheit ist die den polygonalen Treppenturm abschließende Außenkanzel an der durch Riemenschneiders Marienaltar weltberühmten Creglinger Herrgottskirche. Von ihrer Freikanzel aus soll der berüchtigte Dominikanermönch Tetzel zu Beginn des 16. Jahrhunderts Wallfahrern den Ablass gepredigt haben, weshalb sie noch immer „Tetzelkanzel“ heißt.

(Denkmalstimme 1_2013)

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