Paradies

„Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“, verspricht Christus dem mit ihm gekreuzigten Schächer (Lukas, 23,43).

Das Paradies ist der Ort der Verheißung, das himmlische Jerusalem. Es wird auch gleichgesetzt mit dem Garten Eden, dem Ort, aus dem die Menschen nach dem Sündenfall vertrieben wurden.

Das griechische „paradeisos“, das einen Tiergarten oder einen Park bezeichnet, leitet sich vom hebräischen „pardes“ oder dem persischen „pardez“ ab – was eine umzäunte Anlage mit Bäumen und einem Brunnen in der Mitte meint. Es sind die Gärten, die heiligen Stätten vorgelagert waren, die Vorhöfe der Tempel. Ab dem Mittelalter bezeichnet man die Vorhallen von Kirchen als „Paradiese“. Im Sankt Galler Klosterplan werden die Höfe um die beiden Apsiden „plana paradisi“ und „campus paradisiacus“ genannt. Das Paradies erinnert die Gläubigen beim Betreten der Kirche an den vergangenen Sündenfall im Garten Eden und verheißt ihnen nach dem reinigenden Gottesgericht das Himmelreich.

In manchen Kirchen dienten die Paradiese als Gerichtshallen, bis zur Reformation waren sie häufig Orte der Eheschließung und wurden dementsprechend auch Brautportale genannt. Sie waren Begräbnisorte, und weil sie bereits zum Friedensbereich der Kirche gehörten, fanden Flüchtende in ihnen Asyl. Besonders schön ist das Paradies des Klosters Maulbronn. Die Vorhalle der Klosterkirche mit einem kunstvollen Kreuzrippengewölbe wurde 1220 von einem unbekannten „Paradiesmeister“ errichtet, der die frühe Gotik Nordfrankreichs dorthin brachte. Älter ist das Paradies der 1110 erbauten Martinskirche in Neckartailfingen (unser Bild). Die tonnengewölbte Vorhalle der romanischen Säulenbasilika wurde zwischen 1320 und 1350 eindrucksvoll ausgemalt. Auf dem Tympanon thront Christus als Weltenrichter zwischen Maria und Johannes, auf der Südseite ist die Hölle dargestellt, auf der Nordseite das himmlische Jerusalem mit dem Kirchenpatron und dem Erzengel Michael. Verdammnis und Verheißung, Furcht und Hoffnung, Vergangenes und Zukünftiges werden hier auf kleinstem Raum in wundervoller Farbigkeit zusammengedacht. (Bach)

(Denkmalstimme_1_2023)

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