Paternoster

Fast unverwüstlich und kaum störanfällig beförderten Paternoster über einDenkmalstiftung Baukunst Paternoster Jahrhundert lang mehr Menschen in kürzerer Zeit als ein Standardaufzug durch die Stockwerke von Kaufhäusern, Büro- und Werksgebäuden. Dafür brauchen sie weniger Platz und Elektronik als ihr unromantischer Nachfolger. Außerdem sieht man in jedem Stockwerk, wer gerade vorbeifährt, und kann grüßen, winken oder flirten.

Die Funktionsweise ist einfach: Mehrere an zwei parallel angeordneten Umlauf-Ketten befestigte Einzelkabinen fahren in zwei Schächten im Kreis. Am oberen und unteren Wendepunkt werden sie über große Scheiben in den jeweils anderen Aufzugsschacht versetzt – die Kabinen drehen sich also entgegen anderslautender Gerüchte nicht auf den Kopf.

1868 stattete der Architekt Peter Ellis ein Bürogebäude in Liverpool mit einem Umlaufaufzug aus, 1876 wurde einer im General Post Office in London installiert. Diese Prototypen transportierten aber nur Akten und Pakete. Der erste Personenpaternoster in Deutschland fuhr 1886 in einem Hamburger Kontorhaus.

Der Name ist schnell erklärt: Jede elfte Perle eines Rosenkranzes steht für ein Vaterunser. Deshalb nannte man Rosenkränze auch Paternosterschnüre – und weil die Kabinen wie Perlen an der Schnur dahingleiten, verpasste man dem Umlaufaufzug diesen Titel.

Von 1977 bis 1986 wurden bundesweit nur 23 Paternoster-Unfälle registriert. Die Statistik war also undramatisch, trotzdem plante das Arbeitsministerium 1994 eine Stilllegung aller Anlagen. Man hatte die Rechnung ohne die Fans gemacht: Der Widerstand gegen die Abschaffung der charmanten Kabinenlifte war so groß, dass man die Pläne wieder aufhob. 2015 waren in Deutschland dennoch nur 215 Paternoster übrig. Deren Betrieb sollte wieder verboten werden. Wenn überhaupt, sollten nur noch „unterwiesene“ Menschen mit diesen halsbrecherischen Fahrzeugen unterwegs sein dürfen.

Daraufhin wurde der Paternoster im Stuttgarter Rathaus außer Betrieb genommen. Man konnte nicht von allen BürgerInnen, die ins Rathaus kamen, einen Paternosterführerschein verlangen. Wieder setzten sich die Liebhaber gepflegter Fahrstuhlkultur durch – mit dem Ergebnis, dass man dort (siehe Bild) nach wie vor das Vergnügen hat, Paternoster zu fahren.

(Denkmalstimme_2_2023)

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