Pfahlbau
Warum Menschen ans und ins Wasser bauten, um dort zu wohnen und zu arbeiten, darüber rätseln die Archäologen und Pfahlbauforscher, seit die ersten derartigen Bauwerke von Ferdinand Keller im Winter 1853/54 in Obermeilen am Zürichsee entdeckt wurden. Gründe, festen Boden zu verlassen, um sich zumindest längere Zeit an Gewässern und Sümpfen niederzulassen, gibt es allerdings recht handfeste: Nahe an Jagdgründen und Nahrungsquellen zu sein, Schutz vor Tieren oder Feinden, Absicherung vor Hochwasser. Im berühmten Roman „Rulaman“ aus dem 19. Jahrhundert gerieren die Pfahlbauten gar zu einer Art Ferienhäuser für Höhlenbewohner im Sommer. Die Bauweisen, zumindest die Unterkonstruktionen, variieren zwischen den namengebenden Plattformen auf Pfählen, die in den Seeboden gerammt wurden oder Balkenanlagen an Uferrändern und im Moorsumpf. Die Wände bestanden aus lehmverputztem Flechtwerk und waren, wie Funde aus Ludwigshafen und Sipplingen am Bodensee zeigen, in seltenen Fällen auch reliefverziert und bemalt. Die Dächer waren vermutlich mit Reet oder Rinden gedeckt.
Ursprünge der Pfahlbauweise lassen sich in Europa vor allem rund um die Alpen bis ins 6. Jahrtausend v. Chr., also zum Übergang von der Jäger- und Sammler- zur Bauernkultur zurückverfolgen. Aufgrund der geografischen und geologischen Verhältnisse entdeckte man Pfahlbauten vor allem rund um die Alpen. 111 in diesem Gebiet gefundene, meist unter Wasser befindlichen Reste gehören seit 2011 zum UNESCO-Kulturerbe. Fünfzehn dieser Stätten finden sich in Baden-Württemberg.
Eine Attraktion sind die Nachbauten in Unteruhldingen am Bodensee, wo Rekonstruktionen aus verschiedenen vorgeschichtlichen Epochen von der Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit zu sehen sind. Pfahlbauten errichtet man heute noch weltweit, sowohl auf Betonpfählen wie auch in Steinzeitmanier.
(Denkmalstimme_4_2022)